Wer einmal am Athos war, den lässt er nicht mehr los. Das hat auch Michael Kraml erfahren. Kürzlich war der Leiter des Kommunikationsbüros der Diözese Linz das dritte Mal in der Mönchsrepublik, gemeinsam mit drei Freunden von der Katholischen Männerbewegung der Stadtpfarre Traun.
Ausgabe: 2016/23, Athos, Mönchsrepublik, Mike Kraml, Kommunikationsbüro, Pilgern, Traun
07.06.2016 - Josef Wallner
Stundenlang an einem Gottesdienst teilzunehmen, kaum ein Wort zu verstehen und das mehrere Tage hintereinander. Was in den Kirchen Österreichs nicht viele und vor allem nicht oft mitmachen würden, ist am Berg Athos für viele Pilger der Normalfall. Und faszinierend noch dazu. „Für mich wird bei diesen Gottesdiensten das Mysterium, das Geheimnis unseres Glaubens spürbar“, beschreibt Michael Kraml jene Seite des Glaubens, die bei einer Sonntagsmesse der katholischen Kirche eher wenig zum Tragen kommt.
Gast, Pilger und Beter
Bis man aber in die Atmosphäre der orthodoxen Gesänge und Gebete eintauchen kann, braucht es eine umfangreiche Vorbereitung, wie der Leiter des Kommunikationsbüros der Diözese Linz erzählt: Mindestens ein halbes Jahr vor der geplanten Reise in die Mönchsrepublik mit seinen zwanzig Großklöstern muss man um eine Besuchserlaubnis ansuchen. Denn täglich werden nur 100 orthodoxe und lediglich zehn nicht orthodoxe Pilger aufgenommen. Dann gilt es, die Besuchszeiten in den einzelnen Klöstern, den einzigen Übernachtungsmöglichkeiten, zu fixieren. Von Thessaloniki kommend reist man auf einer Fähre ein. Die Trauner Gruppe hat sich entschieden, ihre Wege auf dem Athos zu Fuß zurückzulegen. Mit rund fünfzig Kilometern Länge und zehn Kilometern Breite ist die Landzunge im Norden Griechenlands, die den Athos bildet, zwar nicht allzu groß, aber in dem zerklüfteten Gebiet sind die Höhenmeter schon eine Herausforderung. Die Mönche haben es geschätzt, dass die Trauner als Fuß-Pilger unterwegs waren, hat Kraml aus der Atmosphäre beim Empfang gespürt. Bis etwa 16 Uhr muss man das als Tagesziel ausgewählte Kloster erreicht haben. Nach der traditionellen Begrüßung mit Tresterbrand, Wasser, Kaffee und einer Süßigkeit führt der Gastmönch in das Programm ein. Dass man am Gottesdienst teilnimmt, wird erwartet und ist auch selbstverständlich, meint Kraml. Ihn beeindruckt, dass bei den Liturgien alle Sinne angesprochen werden. Die Gesänge, der Gegensatz von Hell und Dunkel, die unterschiedlichen Düfte des Weihrauchs. „Man atmet auf dem Athos förmlich den Glauben der Jahrhunderte ein. Man kann sich dem Strom des Gebets anvertrauen und sich mittragen lassen“, so Kraml: „Da wird seit mehr als tausend Jahren gebetet. Das ist für mich ein Wissen, das mir nahe geht.“
Einen Bestandteil des Gottesdienstes bildet auch das Essen, zu dem die Mönche ihre Gäste einladen und das schweigend eingenommen wird. Am Speiseplan steht ausschließlich Vegetarisches, wie Gemüseeintopf, Brot, Zaziki, Obst, an einem Sonntag gab es Spiegeleier. Selten wird Fisch serviert. „Heikel darf man nicht sein. Aber es gibt nichts anderes“, meint Kraml schmunzelnd. Nach einem Nachtgebet oft mit Ikonen- und Reliquienverehrung begibt man sich bald zur Ruhe. Die Trauner Gruppe hat zweimal das Glück gehabt, dass deutschsprachige Mönche das Leben am Athos mit seinen Besonderheiten erklärt haben.
Beten für die Welt
Gegen neun liegt man im Bett, in Schlafsälen mit bis zu zehn Leuten. Um vier Uhr geht die Liturgie los, die meisten Gäste kommen so gegen halb sechs, um neun gibt es Frühstück. Zutiefst beeindruckt hat Michael Kraml, dass sich die Mönche vor den Pilgern verbeugen und danken, dass diese ihnen die Ehre des Besuchs erwiesen haben. Nach einer Nacht zieht man weiter ins nächste Kloster. Vier Tage darf man im Normalfall bleiben, eine Verlängerung ist zumeist möglich, wie auch im Fall der KMB-Partie. Am Athos gehen die Uhren anders: Tatsächlich, weil die byzantinische Mönchszeit um Mitternacht bereits sechs Uhr in der Früh zeigt, aber auch im übertragenen Sinn. „Der Athos ist ein völlig anderer Lebensentwurf, der zeigt, dass Arbeit und Rackern nicht alles ist. Es gibt mehr, nämlich die Offenheit für Gott“, so Kraml. Das leben die Mönche, indem bei ihnen Nachtwache, Gebet und Gottesdienst den ersten Platz einnehmen, und sie beziehen alle Menschen mit ein, die keine Zeit für das Gebet haben oder zu haben glauben: Die Mönche beten für das Heil der Welt. Der Athos versteht sich als ein großes Kloster, darum ist auch Frauen der Eintritt in die Mönchsrepublik untersagt. Die ganze Halbinsel ist eine einzige Klausur. „Eine Klausur gibt es in jedem katholischen Frauen- und Männerkloster auch“, so Kraml. Für ihn ist der Athos anders, aber keine Gegenwelt, die nichts mit dem Leben außerhalb seiner Grenzen zu tun hätte: „Die Gottesdienste mit ihrer besonderen Atmosphäre helfen, einen Blick auf das eigene Leben zu werfen. Da wird einem deutlich vor Augen geführt, was wirklich wichtig ist.“