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„Orte haben ihre Botschaft, Dinge ihre Kraft, Elemente ihr Kraftfeld, Räume ihre geistliche Atmosphäre, auch wenn das pysikalisch nicht messbar ist“, schreibt Bischof Manfred Scheuer im Vorwort zu Pfarls Buch und bezieht diese Überlegung auf die Kalvarienberge: Wer sich die Orte des Lebens Jesu vergegenwärtigt und sich mit allen Sinnen in die Schauplätze des Kreuzwegs hineinbegibt, kann den Geist Jesu in sich aufnehmen. „Und das Heilige Land liegt nicht nur mehr in Israel, sondern in Österreich“, betont Bischof Scheuer und weist darauf hin, dass die biblischen Erzählungen keine bloß wiederholt gelesenen Geschichten von damals sind: „Heute Kalvarienberge zu begehen kann somit auch heißen: nach den Spuren Jesu suchen im Hier und Heute, in der eigenen Lebengeschichte und in den beruflichen und gesellschaftlichen Kontexten, in denen man sich bewegt.“
Die Geschichte der Kalvarienberge exakt nachzuzeichnen ist so gut wie unmöglich. Seit im 4. Jahrhundert Pilger/innen sich nach Palästina begaben und sich in Jerusalem mit dem Leidensweg Jesu und dem Ort seiner Auferstehung verbunden haben, geht vom Heiligen Land eine besondere Strahlkraft aus. Diese hat in Reisebeschreibungen, Betrachtungsbüchern und Nachbauten von heiligen Stätten ihren Niederschlag gefunden. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden „Leidensberge“ in Europa modern. Unter den Kalvarienbergen Österreichs ist der von Graz, dessen Bau 1606 begonnen wurde, der älteste. Für Oberösterreich hat Pfarl 41 Kalvarienberge ausgemacht. Davon wurden 25 vor 1800 errichtet, der Rest danach. Zwei wurden erst im Jahr 2000 geschaffen. Als Schema eines Kalvarienberges hält Pfarl fest: zu einem auf einer Anhöhe errichteten kirchenartigen Bau führt ein Weg, der von Bildstöcken oder Kapellen gesäumt ist, in denen das Leiden Christi dargestellt wird.
Als ein Beispiel eines Kalvarienberges wird hier Schenkenfelden herausgegriffen. Gestiftet wurde dieser 1710 von Johann Georg von Harrucker. Er stammt aus Schenkenfelden und entwickelte sich im kaiserlichen Heer zu einem Verpflegungsexperten, brachte es zum „Generalproviantmeister“ und wurde in den Adelsstand erhoben. Vom Marktplatz aus führt die „Kreuzweg“ genannte Straße Richtung Norden und geht in den „Kalvarienbergweg“ über, der von elf Kreuzwegstationen gesäumt wird. Die Kalvarienbergkapelle ist ein achteckiger Bau, den der berühmte Linzer Baumeister und Architekt Johann Michael Prunner errichtet hat. Eine wuchtige Kreuzigungsgruppe dominiert den Raum, an der Decke finden sich Fresken mit Typologien der Passion Jesu, wie Abraham und Isaak, Moses und der Prophet Jona. Weitere Andachtsstätten am Kalvarienberg sind ein „Heiliges Grab“, ein „Jakobsbrunnen“ und eine „Helena-Kapelle“. Die heilige Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, hat in Jerusalem das Kreuz Christi wiedergefunden. In den Orthodoxen Kirchen wird die Heilige hoch verehrt. Der Autor Peter Pfarl fasst den Eindruck des Kalvarienbergs in Schenkenfelden zusammen: „Man erlebt einen ‚heiligen Bezirk‘ aus der Barockzeit, wie es in unserer Gegend wenige gibt."
Kalvarienberge in Oberösterreich. 41 kleine Pilgerwege. Mit einem Vorwort von Bischof Manfred Scheuer. Peter Pfarl, Linz, Wagner Verlag 2021, ISBN 978-3-903040-42-7, 188 Seiten, € 18,50,–, Auslieferung ab Mitte April 2021.
Bildtext: Die Kreuzigungsgruppe als Zentrum der Kalvarienbergkapelle von Schenkenfelden: Vom Kalvarienberg, an den sich der Friedhof anschließt, hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Markt.
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