Vor kurzem habe ich eine sehr kritische Besprechung des Films "Der letzte Gipfel" in der Kirchenzeitung veröffentlicht. Besonders gestört hat mich eine nachgestellte Szene, in der ein Priester für sich allein auf einem Berg Eucharistie "feiert". Ich habe das mit dem Priestermangel "im Tal" verbunden und klerikalen Egoismus genannt: Ein Priester, der alleine Messe feiert, während viele Gemeinden das nicht können.
In der Corona-Krise soll nun von Priestern "ohne physische Anwesenheit von Gläubigen" Eucharistie gefeiert werden. Mein Argument vom Egoismus zieht in diesem Fall, der mit der im Film dargestellten Szene natürlich nicht vergleichbar ist, nicht: Derzeit können sich keine "normalen" Gemeinden versammeln. Aber es gibt theologische Argumente gegen die "Geistermessen", wie drei deutschen Theologen Albert Gerhards, Benedikt Kranemann und Stephan Winter hier nachvollziehbar argumentieren. Ihre Argumente kurz gefasst: Es braucht ein Mindestmaß an Gemeinde, um Eucharistie feiern zu können.
Es sieht für mich so aus, als hätten wir es mit einem typischen Hermeneutik-Streit rund um das II. Vatikanum zu tun: Die einen können das Konzilsdokument Sacrosanctum concilium (z.B. Nr. 27) anführen:
"Wenn Riten gemäß ihrer Eigenart auf gemeinschaftliche Feier mit Beteiligung und tätiger Teilnahme der Gläubigen angelegt sind, dann soll nachdrücklich betont werden, daß ihre Feier in Gemeinschaft - im Rahmen des Möglichen - der vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen vorzuziehen ist. Das gilt vor allem für die Feier der Messe - wobei bestehen bleibt, daß die Messe in jedem Fall öffentlichen und sozialen Charakter hat - und für die Spendung der Sakramente."
Die andere Seite hat das Dokument "Prebyterorum ordinis" (z.B. Nr. 13) für Ihre Argumentation:
"Im Mysterium des eucharistischen Opfers, dessen Darbringung die vornehmliche Aufgabe des Priesters ist, wird beständig das Werk unserer Erlösung vollzogen; darum wird seine tägliche Feier dringend empfohlen; sie ist auch dann, wenn keine Gläubigen dabei sein können, ein Akt Christi und der Kirche."
Dazu kommt ein Dokument der Kleruskongregation aus dem Jahr 2013.
Was heißt das jetzt in der Krise?
Die Messe ganz alleine feiern zu müssen, wird bei genauer Betrachtung in manchen Fällen gar nicht notwendig sein: Wenn Priester in einer Hausgemeinschaft mit anderen Menschen zusammenleben, kann dort in Gemeinschaft Eucharistie gefeiert werden. Wo Gottesdienste über (neue) Medien verbreitet werden, ist der Priester genau genommen nicht allein.
In Fällen, wo Priester die Eucharistie wirklich ganz alleine feiern, kann ich das nur als Ausnahme aufgrund der Situation wahrnehmen.
Alleine Messe zu feiern, ist freilich auch für Priester eine schwierige Sache. In Italien hat sich ein Pfarrer ausgedruckte Selfies seiner Gemeindemitglieder in die Kirchenbank gehängt. Vielleicht liegt darin die Chance, nach der Krise die Feier der Eucharistie in Gemeinschaft wieder neu schätzen zu lernen.
Ihr Heinz Niederleitner