"Ich bin in diesem Schuljahr als Sprachassistentin für Deutsch in Foggia, einer 150.000 Einwohner Stadt im Norden Apuliens und habe schon sehnsüchtig den Frühling erwartet.
Die erste Grillerei mit einer Gruppe italienischer Freunde fand vergangenen Sonntag statt, allerdings schon wissentlich, dass wir in den kommenden Tagen und Wochen wohl weniger soziale Kontakte pflegen werden können. Die Schulen sind hier seit 3. März geschlossen, die so beliebten täglichen Obst- und Gemüsemärkte seit Mittwoch, 11. März und selbst die Parks und öffentlichen Grünflächen dürfen nicht mehr genutzt werden. Die Stadt ist lahmgelegt.
'Io resto a casa' – Ich bleibe zu Hause, ist der Slogan, der auch viele Facebook-Profilbilder schmückt. Vor einer Woche haben wir uns im Süden noch geärgert, dass, als die Lombardei und andere Provinzen abgeschlossen wurden, viele Menschen über Nacht zu ihren Familien in den Süden geflüchtet sind und somit viele Neuinfektionen auch in Süditalien zu erwarten waren. Am nächsten Tag wurde ganz Italien zur roten Zone erklärt. Daraufhin hieß es, es werde allen Österreicher*innen dringend empfohlen, nach Österreich zurückzureisen. Viele stellten mir berechtigterweise die Frage, wie ich nun vorgehen werde. Die Rückholungsaktion fand am Freitag, 13. März statt, ich bin aber nach wie vor in Foggia. Da ich hier ein Zuhause, eine Mitbewohnerin und ein gutes soziales Netzwerk, sowie einen ausreichenden Essensvorrat habe, bevorzuge ich jegliche Reiseaktivität zu vermeiden und dem Slogan entsprechend „zu Hause zu bleiben“. Und, nicht zur Risikogruppe gehörend, hoffe ich inständig, dass alle (!) diese Meinung teilen, für unsere gefährdeten Nachbarn, Eltern, Großeltern, Freunde, für alle, die Tag und Nacht an einer Besserung der Situation arbeiten, für alle!
Die Straßen sind leer, die Stadt bedrohlich ruhig. Man grüßt sich von Balkon zu Balkon, genießt dort die Sonnenstrahlen, riecht verschiedene Düfte pünktlich zur Zeit des Mittag- und Abendessens, und hält Kontakt über soziale Medien. Endlich hat man Zeit, Bücher zu verschlingen, neue Rezepte auszuprobieren (und mit anderen zu teilen), Filme und Dokumentationen zu schauen, Fremdsprachenkenntnisse aufzubessern und, hätte ich ein Instrument bei mir, würde ich auch damit viel Zeit verbringen. Die für die Schule konzipierte „Didaktik auf Distanz“, wie das e-learning-Konzept hier bezeichnet wird, funktioniert schleppend, da zusätzlich zu den ohnehin ersichtlichen Herausforderungen der Situation noch mangelnde Ressourcen der Schülerinnen und Schüler hinzukommen. Nicht alle haben Laptops, eine gute Internetverbindung, ausreichend Datenvolumen geschweige denn einen Drucker zur Verfügung. Eine Katastrophe für den schulischen Betrieb, eine enorme Herausforderung für Gesundheitswesen und Politik, eine Chance, das System, den Alltag, das Leben, unsere Gesellschaft zu überdenken? Halten wir zusammen und helfen wir mit, dann wird alles gut.
'Io resto a casa' – Liebe Grüße aus meiner Wohnung in Foggia. Und alles Gute!"