Wort zum Sonntag
Sünde – außerhalb des religiösen Kontextes sprechen wir von Schuld – ist eine Verfehlung gegen den sittlichen Anspruch, Gutes zu tun und Böses zu meiden. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: „Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muss und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes.“ (Gaudium et Spes, Nr. 16)
Zu oft wird Sünde verkürzt verstanden als die Übertretung eines sittlichen Gebotes. Oft wird auch zu wenig berücksichtigt, dass die Bewertung von Sünde immer von verschiedenen Faktoren abhängt: Wissen, Können und Wollen. Im Katechismus der katholischen Kirche lesen wir: „Die Anrechenbarkeit einer Tat und die Verantwortung für sie können durch Unkenntnis, Unachtsamkeit, Gewalt, Furcht, Gewohnheiten, übermäßige Affekte sowie weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren vermindert, ja sogar aufgehoben sein.“ (Nr. 1735)
Wir dürfen aber nicht bei den Taten oder Unterlassungen hängen bleiben, sondern die tiefere Dimension von Sünde führt zur Frage: Aus welcher inneren Grundhaltung heraus handle ich? Ist sie lebensbejahend und wohlwollend gegenüber den Menschen und Geschöpfen?
Im deutschen Wort „Sünde“ steckt „(ab)sondern“ drinnen und bringt treffend zum Ausdruck, dass Sünde isoliert und Beziehungen zerstört: die Beziehung zu mir selbst, zum Mitmenschen, zur Umwelt und Natur, letztlich zu Gott. Überwindung von Sünde geschieht deshalb immer dann, wenn Beziehungen neu gestiftet werden, durch Versöhnung und gute Werke. Und es beginnt damit, dass ich dafür einen guten Boden im Herzen bereite und achtsam mein Gewissen bilde.
Pater Martin M. Lintner
Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen
Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologie
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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