Zugegeben – in der jüngsten Auseinandersetzung um die Abtreibung hat die österreichische Kirchenleitung zu lange den Scharfmachern in ihren Reihen das Wort überlassen. Wer bereit war zu hören, konnte aber stets zweierlei – und nicht mehr – wahrnehmen: v Aus der in ihrem Glauben grundgelegten Achtung vor der Würde jedes menschlichen Lebens kann die Kirche zur Abtreibung nicht schweigen.v Es geht der Kirche darum, menschliches Leben zu schützen und Frauen in Not zu helfen – nicht aber um die Strafe.Diese Positionen vertrat bereits in den 70er Jahren das Volksbegehren der „Aktion Leben“, das von der Kirche massiv unterstützt wurde. Kardinal König ging dafür sogar auf die Straße und sprach offen von einer Belastung des Verhältnisses zwischen Kirche und Sozialdemokratie. Aber keinem Minister der Regierung Kreisky und keinem führenden Sozialisten wäre damals eingefallen, das Konkordat in Frage zu stellen. Dabei tat sich die SPÖ äußerst schwer, den1934 zwischen Österreich und dem Hl. Stuhl abgeschlossenen Vertrag nach dem Krieg anzuerkennen. Es dauerte bis 1960. Warum jetzt ein Minister das Konkordat zu unrecht als „Relikt des Austrofaschismus“ (Einem) bezeichnet und seine Kollegin (Prammer) das Staat-Kirche-Verhältnis in Frage stellt, hat sicherlich mehrere Gründe: Verärgerung über den Vorwurf nichteingehaltener Versprechen (flankierende Maßnahmen) war da ebenso im Spiel wie innerparteiliches Anbiedern an den linken Flügel. Die Konkordatsdebatte ist aber auch ein Hinweis darauf, daß die Kirche Österreichs durch ihre Leitungskrise viel an öffentlicher Autorität eingebüßt hat und ihr gesellschaftliches Engagement für die Rechte und Würde des Menschen zunehmend rechtfertigen muß.