Caritas-Mitarbeiterin übt scharfe Kritik an internationaler Kosovo-Hilfe
Ausgabe: 1999/06, Kosovo
23.02.1999 - Walter Achleitner
Mit 8000 Ehrenamtlichen verfügt die Mutter-Teresa-Vereinigung über ein enges Verteilungsnetz. Doch internationale Organisationen bringen kaum Hilfsgüter in den Kosovo.„Wir waren baß erstaunt, daß die Lager für Lebensmittel total leer waren“, sagt die Koordinatorin der Kosovo-Hilfe für die Caritas in Österreich, Dr. Marion Feik, nach ihrer Rückkehr aus Pris*tina. Vorvergangene Woche hatte sich Marion Feik gemeinsam mit Caritas-Präsident Franz Küberl und einigen Journalisten in der Krisenregion aufgehalten. Drei Gründe sind ihrer Meinung nach ausschlaggebend dafür, daß Lebensmittellieferungen derzeit kaum in den Kosovo gelangen. Einerseits ist die Mutter-Teresa-Vereinigung in Pris*tina nahezu alleinige Empfängerin aller Hilfslieferungen. Diese verfüge zwar mit rund 8000 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen und 650 Verteilstellen in 1300 Dörfern über ein äußerst enges Netz. Andererseits habe sie als von Kosovo-Albanern getragene Organisation mit bürokratischen Hürden durch die serbischen Behörden zu kämpfen. So müßten seit Jänner dieses Jahres für die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte in Belgrad zusätzliche Papiere ausgestellt werden. Die Erteilung dieser Genehmigungen erfolge aber auf höchster Ebene. Hilfslieferungen an die Mutter- Teresa-Vereinigung würden aber auch von serbischer Seite dadurch verhindert, daß Transporte von Montenegro in den Kosovo, aufgrund politischer Spannungen zwischen der Teilrepublik und Belgrad, grundsätzlich unmöglich sind. Darin liegt auch die Ursache, daß eine von internationalen Hilfsorganisationen seit Sommer 1998 geplante Lebensmittelversorgung für die Krisenregion noch immer nicht funktioniert. Unter der Führung US-amerikanischer Hilfseinrichtungen wurde eine „Food Pipeline“ für den Winter ins Kriegsgebiet projektiert. Doch kaum etwas ist angekommen, denn seit Wochen liegt das Mehl im montenegrinischen Hafen Bar.Die prekäre Versorgungslage im Kosovo könnte gelöst werden, würde das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) den Lebensmittelimport übernehmen. Die Zahl der 260.000 internen Flüchtlinge würde dies durchaus rechtfertigen. „Doch die internationale Organisation schließt das dezidiert aus. Statt dessen verteilt es Zahnbürsten, die momentan nicht so dringend gebraucht werden wie Mehl und Salz “, sagt Feik. Angekommen hingegen sind die 55 Hilfskonvois, die die Caritas-Österreich in den vergangenen zwölf Monaten nach Pris*tina geschickt hat.Caritas Spendenkonto 40.006 Raika Feldkirch (BLZ 37.422) Vermerk: KosovoRegierung spart bei Kosovo-HilfeWien. Die österreichische Bundesregierung hat 1999 eine Million Schilling für Nahrungsmittelhilfe im Kosovo zur Verfügung gestellt. Wie Marion Feik von der Caritas auf Anfrage der Kirchenzeitung bestätigt, kann damit die Versorgung von 2000 Familien (rund 13.000 Menschen) für einen Monat gesichert werden. Nach Angaben der Mutter-Teresa-Vereinigung in Pris*tina sind jedoch seit Ende Dezember über 800.000 Personen akut auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Lebensmittelhilfe im Winter sei notwendig, um das Überleben im Kosovo zu sichern. Marion Feik: „Denn die wenigsten wollen eigentlich den Kosovo verlassen.“Kirchenzeitung ausgebootetWien/Belgrad. Erst zwei Stunden vor Abflug erteilte am 27. Jänner die Jugoslawische Botschaft in Wien der Caritas-Delegation ihre Visa. Frau Barbara Coudenhove-Kalergi und Walter Achleitner, Redakteur für die Kirchenzeitungen in Linz, Innsbruck und Feldkirch, wurde jedoch die Einreise in den Kosovo ohne Angabe von Gründen verweigert.Im Kosovo gibt’s keine Schani!Für internationale Helfer, die sich im Kosovo Sorgen um ihre berufliche Karriere machen und angesichts Zigtausender Hungernder „ur cool“ bleiben, hat Marion Feik kein Verständnis. Vor allem dann nicht, wenn nichts weitergeht. Ihr Ziel ist es vielmehr, alles zu ermöglichen, damit die unbezahlten MitarbeiterInnen der Mutter-Teresa-Vereinigung möglichst gut helfen können: „Wir dürfen sie nicht als unsere Schani behandeln“, wie die Diener in Ostösterreich genannt werden. Diesen Grundsatz lebt sie seit neun Jahren, als der Kosovo noch nicht für Schlagzeilen sorgte und die Vereinigung gerade ins Leben gerufen wurde.Der Diplomatentochter hilft dabei, daß sie ihre Kindheit in der Österreichischen Botschaft in Belgrad verbrachte und Serbokroatisch spricht. Und ihre Lehre in der Caritas vor 25 Jahren absolvierte die promovierte Juristin beim Bahnhofsozialdienst in Wien, den sie heute leitet: Zeit für kluge Pläne gibt es da nicht, Handeln ist angesagt.Fast kindlich freut sich Marion Feik darüber, was mit der Hilfe aus Österreich im Kosovo geleistet wird, wie das Entbindungsheim in Pristina: Mit 700.000 Schilling im Jahr können albanische und serbische Mütter kostenlos ihre Kinder zur Welt bringen; täglich tun das mehr als im Wiener AKH. Und selbstkritisch ergänzt sie, daß oft Hilfe aber nur Augenauswischerei sei: „Denn wir müssen ja nicht dort leben!“