Aus ihrer je eigenen Perspektive nähern sich zwölf Künstlerinnen und Künstler dem kulturellen Phänomen Innviertel. Im folgenden ein Auszug aus Alexander Gieses Text über ein Innviertler Original, seinen Schwiegervater.Ich habe meinen Schwiegervater nicht mehr persönlich gekannt. Als ich meine Frau heiratete, war er bereits tot. Lebendig aber sind die Geschichten, die von ihm erzählt werden. Sie rücken ihn in die Nähe jener famosen Schwankgestalt eines Eulenspiegel. Er hatte es vielleicht deswegen gut getroffen, weil er ein Publikum hatte; denn zu jedem Till muß es etwas gebe, das wie Schilda aussieht, oder von Schilda zumindest den einen odere anderen Zug hat. Im Dorf sagte man, meine Schwiegermutter „leiste sich“ ihren Mann, was nicht mit „aushalten“ verwechselt werden darf. Mein Schwiegervater besuchte regelmäßig den Bürgertag, der jeweils in einem anderen Gasthaus abgehalten wurde und bei näherem Zusehen sich als Stammtisch erwies. ... Die Frau des Hauses, meine Schwiegermutter, war fleißig, betriebsam, gottesfürchtig und wohlgebildet; sie hatte eine nicht geringe Anzahl von Kindern geboren, dreizehn insgesamt, die sie auch höchst selbständig aufzog; sie sorgte für deren Lebensunterhalt und Ausbildung; sie betrieb eine gutgehende Kunstblumenfabrikation - (war also wie Goethes Christiane tätig) - und also „leistete“ sie sich ihren Gatten. Mit gutem Grund. Denn er war intelligent, musikalisch, ein gutaussehender Mann, stets elegant gekleidet ... und war eine in ihrer Art bewunderte Respektsperson an den Stammtischen der Bürgertage. Diese Männerrrunden waren sein Element und Lebenselexier. Er nahm sie ernst und das hieß für ihn, ihnen seinen Stempel aufzudrücken. Von sich aus pflegten Bürgertage ja nicht besonders geistreich zu sein.Aus: Das Innviertel. Porträt einer kulturellen Region. Hrsg v. A. Pindelski. Edition neuzig, Verlag Ennsthaler.