Leute waren dankbar für jeden Händedruck

Nach dem Begräbnis der Toten beginnt sich in Galtür die drohende innere Leere mit Trauer zu füllen. Wenn die TV-Kameras längst weg sind, ist auch die Kirche gefragt. Wir sprachen mit dem Pfarrer von Galtür und Mathon, Luis Attems.Das hämmernde Pochen der schweren Hubschrauber ist verstummt, nur wenige Touristen sind zurückgeblieben. Die Einheimischen sind wieder auf sich selbst verwiesen – fast wie in der ersten Nacht nach dem Unglück, als sie verzweifelt in den Schneemassen nach ihren vermißten Angehörigen und Gästen suchten.Den meisten Betroffenen wird erst jetzt bewußt, wieviel wirklich passiert ist. Nachdem die Ersthilfe vorwiegend von Bundesheer, Alpingendarmen und Ärzten geleistet wurde, ist bei der Nacharbeit auch die Kirche gefordert. In Galtür und Mathon ist damit in erster Linie Pfarrer Louis Attems (72) betraut. Seine Haushälterin war mit Wäschearbeiten beschäftigt, als die gewaltige Staublawine ins Pfarrhaus donnerte und die Frau zusammen mit einem herausgerissenen Fenster mit voller Wucht an die gegenüberliegende Wand schleuderte. Bis zur halben Höhe war das Zimmer mit Schnee angefüllt, die Tür mußte aufgebrochen werden. Am nächsten Morgen wurde die Frau direkt vom Dorf ins Krankenhaus geflogen und dort operiert.In der Lawinennacht pendelte der Pfarrer ständig hin und her zwischen dem beschädigten Pfarrhaus, der Lawine und der Feuerwehrhalle: „Ich wurde immer gleich informiert, wenn jemand gefunden wurde. Ich bin dann entweder zur Lawine hingegangen oder sie haben den Toten hergebracht und ich habe dann noch die Absolution gegeben und mit den Leuten gebetet.“ Tatkräftige Hilfe hatte der Pfarrer in Diakon Karl Gatt, der in der Katastrophennacht ständig als Bindeglied zu den Familien der Betroffenen unterwegs war. Am zweiten Tag gesellte sich zu diesem Team Pfarrer Andreas Tausch. Der eingeflogene Priester aus Zams hat sich vor allem um jene Touristen gekümmert, die die Zeit bis zur Evakuierung im Sportzentrum verbringen mußten. In den Medien war immer wieder die angebotene psychologische Betreuung groß herausgestrichen worden. Die Psychologen waren vor allem in der Einsatzzentrale in Landeck wichtig, wohin die Verletzten und Angehörigen der Toten ausgeflogen wurden, sagt Pfarrer Attems. „Einfach da sein für die Leute“ – so umschreibt Pfarrer Louis Attems seine Aufgabe in diesen schwierigen Tagen: „Wenn mich jemand gebraucht hat oder getröstet werden wollte, bin ich dagewesen, das war ja selbstverständlich. Und die Leute waren dankbar für jeden Händedruck, für jedes gute Wort. Einheimische und Touristen sind sich auch gegenseitig beigestanden, ohne viele Worte, und alle haben zusammengeholfen und gespürt, daß sie nicht allein sind.“ Viele seien auch zu den Sterberosenkränzen in die Kirche gekommen. Bei den Gottesdiensten habe er die Solidaritätsschreiben verlesen, die von Bischof Kothgasser, von den Dekanen der Diözese und aus dem Vatikan eingelangt sind. Allen, die sich gemeldet haben, möchte er von Herzen danken.Daß die Einheimischen wie eine Familie zusammenstünden, habe sich jetzt erneut bewährt. Im übrigen gehöre zum Leben der Einheimischen auch das Leben mit den Lawinen. Als vor 615 Jahren die ersten Toten in Galtür bestattet wurden, waren es Opfer einer Lawine. Ob man spüren könne, daß die Galtürer auch aus ihrem Glauben Kraft beziehen?„Gott geb’s“, meint Pfarrer Louis Attems, die Zukunft werde es zeigen.