Liebe ist ... wenn einem der andere hin und wieder einmal peinlich ist. Das gilt für alle Familienmitglieder, von der Partnerin oder dem Partner über Kinder und Tanten bis hin zum eigenen Vater. Das ist nicht weiter schlimm. Alles ist besser als Gleichgültigkeit. Ein Unter Uns von Christine Grüll.
Ausgabe: 2016/08
24.02.2016 - Christine Grüll
Die Gaststube auf 1000 Meter Seehöhe war voll gut gelaunter Menschen. Der Schitag war schön und ohne Unfall zu Ende gegangen und so mancher ließ sich Kasnocken und Marillenschnaps schmecken. Auf einem der Barhocker saß ein Gitarrist. Mit seinem Können – er spielte jedes Lied auf Zuruf und aus dem Gedächtnis – brachte er die Gäste zum Mitsingen. Alle waren begeistert. Nur ein kleines Mädchen nicht. Es war die Tochter des Musikers, und die Aufmerksamkeit, die dieser auf sich zog, war ihr hochpeinlich. Während manche nun schon das Tanzbein schwangen, drehte sie dem Geschehen den Rücken zu. Schließlich ließ sie sich aber vom Lachen der anderen Kinder anstecken. Auf die Frage nach ihrem Befinden sagte sie würdevoll: „Weißt du, ich habe ganz vergessen, dass der Mann, der Gitarre spielt, mein Vater ist.“ Die Verleugnung ihrer verwandtschaftlichen Beziehung war nicht von Dauer. Kurze Zeit später schlief sie zufrieden auf dem Schoß ihres Vaters ein.