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Gott sitzt in keinem Schlupfloch

Gespräch mit Dr. Franz Gruber
Ausgabe: 2006/05, Gruber, Glaube, Gott, Evolution, Wallner
02.02.2006
- Kirchenzeitung der Diözese Linz
Können gläubige Menschen heute noch in den Lobpreis über Gottes wunderbare Schöpfung einstimmen, ohne dass sie die Augen vor den Erkenntnissen der Naturwissenschaften verschließen?

Wenn man nur bedenkt, wie wunderbar ein Schmetterlingsflügel konstruiert ist, sagt da nicht der Hausverstand: Hier müssen ein Plan und ein Planer dahinter stecken?

Franz Gruber: Der Hausverstand sagt uns auch, dass sich die Sonne um die Erde dreht. Denn wir sehen mit unseren eigenen Augen täglich den Sonnenauf- und -untergang. Doch die Naturwissenschaft stellt Phänomene, die wir mit dem Hausverstand zu begreifen meinen, gründlich auf den Kopf.

Was sagt die Naturwissenschaft über das Werden und die Entwicklung der Welt?

Gruber: Die Evolution ist ein sich selbst organisierender Vorgang. Für die Naturwissenschaft ist die Welt eine Realität, zu deren Erklärung weder Gott herangezogen werden darf, noch Gott dafür notwendig ist. Was sollte denn das auch für ein Gott sein, der zum Beispiel durch eine ungeheure Katastrophe der Dinosaurierzeit ein Ende setzen musste, damit sich die Säugetiere entwickeln konnten. Es war die Auslöschung von Leben vor 65 Millionen Jahren notwendig, damit der Mensch entstehen konnte.Der gläubige Mensch, der das Naturwissen ernst nimmt, wird Gott auch nicht mehr in den Erklärungslücken der Wissenschaften suchen dürfen. Sonst wird Gott ein Lückenbüßer, der immer mehr von den Wissenschaften wegerklärt wird.

Kann ein Mensch dann heute noch beten: Ich glaube an Gott, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde ...

Gruber: Ja, weil Naturwissenschaft und Glauben auf unterschiedliche Weise über die Welt reden. Die Naturwissenschaft bietet ein Erklärungswissen. Das Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer der Welt, stiftet Sinn. Der Mensch erlebt, dass er Teil der Evolution ist, gleichzeitig übersteigt er aber als Person den Kreislauf von Werden und Vergehen. Er kommt letzten Fragen nicht aus: Gibt es Leben nach dem Tod? Hat das Leid einen Sinn? Gibt es einen Gott? Auf diese Fragen kann die Naturwissenschaft keine Antwort geben, wohl aber der religiöse Glaube, der sagt: Der Mensch darf sich mit seiner ganzen Existenz einem liebenden Gott anvertrauen, dem er sein Leben verdankt und der seinem Leben einen letzten Sinn gibt. Darum können wir auch die Welt als Schöpfung glauben, weil wir Gott als unseren Vater, als „Freund des Lebens“ bekennen. Gott leuchtet uns heute mehr in der menschlichen Beziehungsfähigkeit auf und weniger in der Natur. Im Licht der göttlichen Liebe kann auch der Kosmos als seine Schöpfung gedeutet werden. Theologisch gesprochen ist Gott ja überall und jederzeit in seiner Schöpfung.

Das klingt ein wenig kompliziert ...

Gruber: Angesichts der enormen Fortschritte der Naturwissenschaft Gott als Schöpfer zu bekennen, ist heute schwieriger als früher. Wir sind mit einer möglicherweise ziellosen Evolution konfrontiert, der die menschliche Freiheit und Geistigkeit gegenübersteht. Das bleibt eine schockierende Spannung. Ich sage offen: Es ist anstrengend innerhalb des naturwissenschaftlichen Weltbildes den Schöpfungsglauben zu artikulieren – einfach auf Bibel und mittelalterliche Theologie zurückzugreifen, reicht nicht aus.

Ist es noch vernünftig an Gott zu glauben?

Gruber: Wer sich den „letzten Fragen“ stellt, muss eingestehen, dass er die Hoffnung auf ein gelungenes Leben sich nicht selbst erfüllen kann. Das ist der Kern der Vernunft. Die Vernunft kann Gott objektiv nicht beweisen, aber sie zeigt, dass es sinnvoll ist Gott als letzten Grund des Daseins anzunehmen. Deshalb ruft der Glaube den Menschen auf, sich ganz und gar Gott anzuvertrauen, der ihn liebend umfängt.

Der Theologe Franz Gruber ist Armateur-Astronom. Foto: PRIVAT.
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