9. Ökumenische Sommerakademie fragte nach der „Marke Gott“
Ausgabe: 2007/29
19.07.2007 - Matthäus Fellinger
Spannende Vorträge und großes Interesse. Die jährliche Ökumenische Sommerakademie im Kaisersaal des Stiftes Kremsmünster ist einer der Höhepunkte im „ökumenischen Kirchenjahr“ in Österreich. Foto: KIZ/Matthäus Fellinger.
Gott ist kein Produkt, schon gar nicht der Menschen. Er lässt sich nicht verzwecken, dient auch nicht als Mittel religiöser „Bedürfnisbefriedigung”. Bei der 9. Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster waren dies Kerninhalte, als es drei Tage lang um „Die Marke Gott – zwischen Bedeutungslosigkeit und Lebensinhalt” ging.
Bedeutungslos scheinen die christlichen Kirchen in der Tat in den Gebieten des ehemaligen Ostdeutschland geworden zu sein. Drei Viertel der Menschen sind ohne Konfession. Ein „religiös dürres Land“, schildert der Berliner Theologe Paul Krötke die Situation im Land, in dem Gott vergessen erscheint. Gott spielt keine Rolle mehr, „man hat schon vergessen, dass man ihn vergessen hat“. Trotzdem. Die vielen Kirchengebäude in den Dörfern werden von Fördervereinen erhalten. Man hat eine Scheu, sie einfach zu entfernen. „Wo Menschen gar nichts mehr von Gott wissen, muss im Zentrum stehen, was wirklich wesentlich ist“, meint Krötke. Es gilt, ganz vorne anzufangen. Von Gott, von Jesus erzählen, in dem ja Gott sich den Menschen zeigt.
Ökumenisches Klima. Angesichts der religiösen Lage gilt es für die christlichen Kirchen, sich nicht in Randthemen zu verstricken. Der griechisch-orthodoxe Metropolit Michael Staikos warnte: „Wenn die christlichen Gemeinschaften nicht mit einer Stimme gegen die Stimme der Mächtigen auftreten – wer tut es dann?“ und äußerte sein Bedauern, dass wegen des jüngsten Schreibens der Glaubenskongregation dieses ökumenische Klima getrübt würde. Wiederkehr mit Fragezeichen. Zu großer Vorsicht rieten der Erfurter Professor für Weltanschauungsfragen Jürgen Manemann und die in den Niederlanden lehrende Fundamentaltheologin Saskia Wendel, in einer von Soziologen bescheinigten „Wiederkehr des Religiösen“ schon die Wiederkehr tatsächlichen christlichen Glaubens zu sehen. Für Manemann liegt die Zielrichtung des Glaubens nicht darin, die Sehnsucht nach religiöser Beheimatung zu stillen und zu den Wurzeln zu finden. Christentum sei vielmehr ein Aufruf gegen Verwurzelung, zu produktiver Heimatlosigkeit, zum Einsatz im Gestalten der Gesellschaft. Religion muss „gelebt“ werden, betont Saskia Wendel.
Beispiel der Heiligen. Fulbert Steffensky, Religionspädagoge in Hamburg, stellte einen gewissen „Erfahrungszwang“ im Religiösen infrage. „Viele Menschen halten offensichtlich die Normalität nicht mehr aus“, sieht er den Wunsch nach Sensationen im Glauben höchst fragwürdig. Allein könne man als Christ wenig zustande bringen. Das sei der Vorteil von Kirche: Wo Menschen über ihren eigenen Horizont hinausschauen, komme die Moralität auf eine höhere Stufe. Der kleinste Dritte-Welt-Laden sei in diesem Sinne schon ein Stück Kirche, das über den eigenen Horizont hinausführt. Heilige wie Elisabeth von Thüringen und Franz von Assisi haben in ihrer Zuwendung zu den Armen und zur Schöpfung eine Spur gelegt, in der der religiös Suchende fündig werden kann.
Sehnsucht wecken. Menschen landen auf ihrer religiösen Suche nicht automatisch bei Jesus, betonte der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer. Die Kirche habe keine Angebote, sie zeige vielmehr Grundvollzüge, die im Evanglium deutlich würden, betonte Scheuer. Auch die Natur könne eine „pastorale Helferin“ sein, die staunen und glauben lässt.Kirchen sind nicht da, um die Sehnsucht von Menschen zu stillen, sondern diese zu wecken, meinte auch der evangelische Oberkirchenrat Michael Bünker. Deshalb stehe in der evangelischen Kirche das Kreuz im Zentrum.
Gerecht werden. Fazit der Ökumenischen Sommerakademie 2007: Es kann nicht darum gehen, dass sich Kirchen nun marktgerecht gestalten, sondern dass der Markt gerecht wird. Bernd Jochen Hilberath, Theologe in Tübingen, sagte es so: „Das Reich Gottes beginnt, wo der Markt gerecht wird.“
Die Sommerakademie wurde veranstaltet von: ORF OÖ, Evangelisches Bildungswerk OÖ, Kath.-Theol.-Privatuniversität Linz, KirchenZeitung Linz, Land OÖ, Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich, ORF Religion, Stift Kremsmünster.
ZUM THEMA
Gott im Islam
„Wenn Gewalt im Namen Gottes ausgeübt wird, wenn Freiheiten eingeschränkt werden, wenn Menschen entrechtet werden, wenn Natur ausgebeutet wird, wenn Menschen es nicht zulassen, dass andere menschenwürdig leben können ..., dann sind Glaube und Frömmigkeit bedeutungslos geworden.“ So ließ die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi in ihrem Vortrag über „Gott im Islam” aufhorchen. Der Islam lässt eine religiöse Deutung des Koran zu, betonte sie. „Gott verbietet, was abscheulich und verwerflich ist“ – sonst wird er zum Irrglauben.