Wer beschäftigt sich schon gerne mit dem eigenen Tod, mit dem Sterben? Noch mehr gilt das, wenn man jung ist. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Ort der Kreuzschwestern Gmunden haben sich dennoch dem unbequemen Thema gestellt. Auf bemerkenswerte Weise.
So haben die Jugendlichen sterbenskranke Menschen besucht und deren Lebensgeschichte aufgeschrieben. Das Projekt, das die 7B/O Klasse im Schuljahr 2012/13 startete, wurde durch den Solidaritätspreis der KirchenZeitung ausgezeichnet. Es war wohl einer der berührendsten Momente bei der diesjährigen Preisverleihung, als Sebastian Obermayr (17) erzählte, wie das Projekt für ihn persönlich weiterwirkt. Er hatte gemeinsam mit einem Klassenkollegen einen an Lungenkrebs erkrankten Patienten, Herrn Romaner, besucht und seiner Lebensgeschichte gelauscht. „Ich habe gemerkt, wie verwöhnt ich bin, als Herr Romaner erzählt hat, wie schwer er es in seinem Leben hatte.“ Herr Romaner habe in seinen letzten Tagen nur noch drei Wünsche gehabt: dass er rauchen darf, dass er schmerzfrei ist und dass er die Geburt eines seiner Enkerl erleben darf. Letzteres ging sich gerade noch aus, dann starb er. Sebastian fällt es schwer, das Erlebte in Worte zu fassen: „Ich muss jeden Tag an ihn denken. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“
Fatale Denkmuster
Möglich wurde das beeindruckende Projekt, weil die Religionslehrerin Gabriele Max in ihrer Klasse die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema „Sterben“ vorangetrieben hat. Eine Exkursion zur Gedenkstätte Schloss Hartheim mit der dortigen Ausstellung „Wert des Lebens“ sollte die fatalen Denkmuster entlarven, wenn der Mensch nur nach seinen Kosten beurteilt wird. Die Schüler/ -innen stellten Parallelen zur Gegenwart auf, in der Krankheit, Leid und Sterben gerne ausgeblendet werden. Aktuelle Beispiele dafür, wenn Kranke vor allem als „lästiger“ Kostenfaktor gesehen werden, fanden die Jugendlichen genug.
Biografiearbeit
„Ich wollte den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass es eine Alternative gibt“, sagt Gabriele Max im Gespräch mit der KirchenZeitung. Wie man mit sterbenskranken Menschen einfühlsam umgeht, konnten die Schüler/innen in der Palliativstation Vöcklabruck erleben. Der Mensch mit seiner Geschichte und seinen Bedürfnissen steht dort im Vordergrund. Die Ärztin Christina Grebe führte durch die Station und erzählte, wie wichtig die Biografiearbeit ist, um unter anderem die Schmerzen besser einzustellen. Sie selber fände es unglaublich spannend und bereichernd, sich die Lebensgeschichten der Patient/innen erzählen zu lassen. Ungefähr die Hälfte der Klasse hat sich entschlossen, diese Idee aufzugreifen. Unterstützt wurden sie dabei von der Palliativstation Vöcklabruck und der Mobilen Hospizbewegung Gmunden, etwa durch die Herstellung der Kontakte und die Möglichkeit einer Supervision bei einem Psychologen. Die Burschen und Mädchen haben den Lebensgeschichten von sterbenskranken Patient/innen lange und intensiv gelauscht. Wie zum Beispiel Veronika Führer. „Wir haben eine Frau besucht, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war. Der Glaube war der Frau stets eine große Stütze im Leben gewesen. Ich habe ihren starken Lebenswillen bewundert, dass sie trotz allem noch so gut drauf ist“, erzählt die 17-Jährige.
Jeder Mensch ist wertvoll
Das Ergebnis ihres Projekts haben die Schülerinnen und Schüler bei einem Palliativkongress präsentiert. Manche Szenen der Biografien haben die Jugendlichen dafür mit Fotos nachgestellt. Es sind berührende Bilder entstanden, die den Lebensmut und die Lebensweisheit von Menschen zeigen, die dem Tode sehr nah sind. In einer Welt, die gerne nur auf die Starken und Gesunden schaut, haben sie es wirklich geschafft, dem Leben eine andere Bedeutung zu geben. Die Botschaft entspricht dabei einem christlichen Menschenbild: „Jeder Mensch ist wertvoll. Bis zum Schluss.“
Solidaritätspreis der KirchenZeitung
Am Freitag, 16. Mai wurden die Solidaritätspreise der KirchenZeitung verliehen. Die 7b/O Gymnasium/ORG Ort der Kreuzschwestern Gmunden war dabei eines der drei Siegerprojekte in der Kategorie Jugend.