Er ist Bibelwissenschafter. Er leitet das Team Entwicklung und ist Referent für interreligiösen Dialog der Katholischen Kirche Vorarlberg. Den Autor erreichen Sie unter sonntag@koopredaktion.at
In jenen Tagen versammelte Jósua alle Stämme Israels in Sichem; er rief die Ältesten Israels, seine Oberhäupter, Richter und Aufsichtsleute zusammen und sie traten vor Gott hin. Jósua sagte zum ganzen Volk: Wenn es euch nicht gefällt, dem Herrn zu dienen, dann entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter jenseits des Stroms dienten, oder den Göttern der Amoríter, in deren Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen. Das Volk antwortete: Das sei uns fern, dass wir den Herrn verlassen und anderen Göttern dienen. Denn der Herr, unser Gott, war es, der uns und unsere Väter aus dem Sklavenhaus Ägypten herausgeführt hat und der vor unseren Augen alle die großen Wunder getan hat. Er hat uns beschützt auf dem ganzen Weg, den wir gegangen sind, und unter allen Völkern, durch deren Gebiet wir gezogen sind. Auch wir wollen dem Herrn dienen; denn er ist unser Gott.
Schwestern und Brüder! Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi! Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist. Er selbst ist der Retter des Leibes. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort! So will er die Kirche herrlich vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos. Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.
In jener Zeit sagten viele der Jünger Jesu, die ihm zuhörten: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören? Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn ausliefern würde. Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher. Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.
Die Verfasserin oder der Verfasser des Epheserbriefes will im Lesungstext umreißen, was der neue Glaube an Jesus als den Christos, den Messias, für das alltägliche Leben in der Familie bedeuten sollte. Paulus hatte im Galaterbrief geschrieben, dass es unter den Getauften „nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich“ gebe, denn „ihr alle seid einer in Jesus Christus“ (Galaterbrief 3,28). Da stellte sich natürlich die Frage, ob dieser neue Glaube alle gesellschaftlichen Ordnungen auflösen würde. Der Epheserbrief verneint das. Für ihn ist das neue Volk Gottes wie ein Körper, dessen Kopf Christus ist. Alles soll sich diesem Haupt unterordnen. Die Großfamilie soll dieses Verhältnis im Alltag abbilden. Der Mann sei das Haupt der Frau. Deshalb müsse sich die Frau unterordnen. Der Mann wird verpflichtet, seine Frau zu lieben. Die meisten Menschen haben heute ein völlig anderes Bild vom Verhältnis von Frau und Mann. Sie sind gleichwertig. Die Tatsache, dass der Epheserbrief so ausführlich zu den Ordnungen innerhalb der (Groß-)Familie Stellung nimmt, deutet darauf hin, dass dies damals nicht alle in der noch jungen christlichen Gemeinschaft so sahen. Der Brief an die Gemeinde von Ephesus hatte die damaligen Strukturen vor Augen: der Christus-Glaube sollte auch innerhalb der bestehenden Ordnungen gelebt werden können. Dies darf nicht zum Vorwand genommen werden, diese antiken Gesellschaftsordnung für alle Zeiten festzuschreiben. Auch nicht in der Kirche.
Der Lesungstext gehört zu den schwierigen Texten des Neuen Testaments für moderne Menschen. Was bedeutet Christusglauben heute für die Gestaltung des familiären, gesellschaftlichen, kirchlichen und wirtschaftlichen Lebens und der entsprechenden hilfreichen und befreienden Strukturen?
Er ist Bibelwissenschafter. Er leitet das Team Entwicklung und ist Referent für interreligiösen Dialog der Katholischen Kirche Vorarlberg. Den Autor erreichen Sie unter sonntag@koopredaktion.at