In der Hilfsbereitschaft für andere, im Einsatz für eine gerechtere Welt, beim Kleiderkauf: immer ringt das Herz um Kompromisse. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2015/30, Leitartikel
21.07.2015 - Matthäus Fellinger
Jetzt ist sie da. Die Sommersonne. Doch wer sie wirklich genießen will, meidet die direkte Sonneneinstrahlung – und sucht besser den Schatten. Orte, an denen kein Schatten zu finden ist, sind schwierige Lebensorte, nur tauglich für hochangepasste Lebewesen. Es ergeht Menschen auch in anderen Lebensangelegenheiten so: dass man das ganze an Gutem nur schwer aufnehmen kann. Zwar weiß man, was besser wäre, steigt aber dann doch ins Auto statt in den Bus und bestellt Schnitzel statt Gemüse. In der Hilfsbereitschaft für andere, im Einsatz für eine gerechtere Welt, beim Kleiderkauf: immer ringt das Herz um diese kleinen Kompromisse. Ganz konsequent zu sein, das fällt schwer – und manchen, für die nur das hundertprozentig Richtige Geltung hat, verbittert es das Herz. Auch der Schatten ist eine Erscheinung des Lichts: auf das Maß des Erträglichen gedämpftes Licht eben. Es wäre schon viel, wenn man seine persönlichen kleinen Lebensentscheidungen wie im gedämpften Licht des Erträglichen, des persönlich Schaffbaren, treffen würde: dann würde einem die gleißende Sonne der Konsequenz nicht so leicht das Herz verbrennen. Zwischen Sonne und Finsternis liegt ein breiter Raum.