Die ÖBB tauschen 76 radioaktiv strahlende Tachometer aus.
Ausgabe: 1998/45, ÖBB, radioaktive Tachometer
03.11.1998 - Ernst Gansinger
Österreich hat mit der „Zwentendorf“-Volksabstimmung vom 5. November 1978 Europa ein Beispiel gegeben: Es geht ohne die gefährliche Atomkraft. Doch radioaktive Strahlungsgefahr ist auch in ganz alltäglichen Dingen verborgen. Ein gutes Beispiel rascher Reaktion auf erkannte Gefahren geben hier die ÖBB.Der Heilmasseur Thomas Neff aus Linz, der in Schleedorf bei Salzburg mit seiner Familie wohnt, hat schon mehrmals auf diese alltäglichen Gefahren hingewiesen. Etwa auf die Gefahren, die in jenen alten Weckern lauern, die mit Leuchtziffern ausgestattet sind. Für diese Aufklärungsarbeit wurde er 1997 mit dem Umweltschutzpreis der Stadt Linz ausgezeichnet. Eine weitere Arbeit gilt der Einführung eines „Röntgenpasses“ (davon in einer späteren Kirchenzeitung).Nun legt Neff eine neue Arbeit vor, mit der er auf „radioaktive Belastung in der Arbeitswelt am Beispiel von Tachometern in ÖBB-Lokomotiven“ hinweist. Gleich vorweg: Wie die ÖBB auf Neffs Alarm reagierte, ist vorbildlich. Als die Gefahr erkannt wurde, ordneten die Verantwortlichen die Umstellung aller betroffenen 76 Tachometer an. Noch vor dem Jahr 2000 ist diese abgeschlossen; ein Fünftel der Tachometer ist schon ausgetauscht.Zerlegter TachometerIm Zuge seiner Weckerstudien wurde Thomas Neff auch auf die Tachometerblätter (ENG 16 und WA 10) aufmerksam, die die ÖBB etwa seit 1950 in Zügen eingebaut hat. Züge mit dieser Ausstattung fahren vor allem auf Nebenstrecken. Im Zuge der Kontrollarbeiten in der Werkstatt wird das Gerät zerlegt, das Schutzglas entfernt, eventuelle Reparaturen werden durchgeführt. In seinem Bericht vermerkt Thomas Neff, der am 3. Juni 1997 zum ersten Mal in die betroffene ÖBB-Werkstatt kam: „Dabei gerät der arbeitende Mensch in direkten Kontakt mit der radioaktiven Leuchtpaste, die aufgrund ihres Alters natürlich auch abbröckelt, herausfällt und über den Umweg des Hautkontaktes und der Atemluft in den Körper gelangen kann.“ Neffs Geigerzähler schlug gewaltig aus, überall (im Raum, auf der Arbeitsunterlage…) wurden überhöhte Dosen gemessen. Herr Schwarzer, dessen Aufgabe diese Kontrollarbeiten sind, die anderen Arbeiter und Walter Nöbauer, Teamleiter-Vertreter der Gruppe, waren interessiert: Wie können wir uns schützen? Gemunkelt, daß etwas sein könnte, wurde ja schon früher. Erste Vorsichtmaßnahmen kamen: Mundschutz, Handschutz, eine Abschirmvorrichtung. Es folgten die Verwendung von Einweg-Handschuhen und Feinstaubmasken, die Zwischenlagerung der Ziffernblätter im Keller. Und man schickte außerdem ein Ziffernblatt zur Untersuchung nach Seibersdorf.Seibersdorf reagiertAm 13. Oktober 1997 langte der Seibersdorf-Bericht ein: „…haben wir an der uns vorliegenden Tachoscheibe das Radionuklid 226 Ra ermittelt sowie eine Aktivität von ca. 185 - 222 kBq gemessen.“ Radium 226 also in einer Dosis, die bewiligungspflichtig ist. Die Halbwertszeit beträgt 1.600 Jahre.Schon am 14. Oktober fragten die ÖBB um Ersatzgeräte an und gaben in der Folge den Auftrag zur Umrüstung. Die alten Geräte – noch lagern sie im Keller oder sind in Zügen eingebaut, werden von Seibersdorf entsorgt.