Wort zum Sonntag
Ich bin froh, dass die seit vergangener Woche erfolgende behutsame Öffnung des öffentlichen Raums nun auch in den christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften erste behutsame Schritte in Richtung kirchliches Leben ermöglicht. Freilich muss man erst schauen, wie im Konkreten die Vorgaben umgesetzt werden können, die vor allem die Gottesdienste regeln. Aber es ist ein hoffnungsvoller Anfang. Mir ist freilich bewusst, dass das absolute Zurückschrauben des Gemeinschaftslebens, der Verzicht auf öffentliche Gottesdienste und auf den Empfang der Sakramente für alle Gläubigen eine große Belastung ist. Umso mehr hat dieses Opfer offensichtlich Früchte getragen: Mit den Einschränkungen der letzten Wochen wurde ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und eine höhere Sterberate zu verhindern. Dieser Verzicht ist ein solidarischer Akt der Nächstenliebe. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken!
Bei aller Hoffnung auf eine fortschreitende Öffnung des kirchlichen Lebens müssen wir aber auch realistisch bleiben. Einerseits ist es nicht auszuschließen, dass manches wieder zurückgenommen werden muss, sollten sich die Viruserkrankungen erneut exponentiell häufen. Zum anderen werden sich die Gottesdienste und kirchlichen Versammlungen auch nach dem 15. Mai erheblich vom gewohnten Bild unterscheiden. Die Beherzigung sämtlicher in Abstimmung mit den Behörden zu treffenden Vorsichtsmaßnahmen wird nach wie vor eine ungewöhnliche Atmosphäre schaffen. Es wird auch weiter eine gewisse Bereitschaft zum Verzicht vorausgesetzt werden müssen.
Deshalb möchte ich dazu ermutigen, die in den letzten Wochen geübte Vielfalt an gottesdienstlichen und gemeinschaftlichen Ausdrucksformen des Glaubens beizubehalten. Kirche ist auch in diesen Formen lebendig und erfahrbar: in der Feier der Hauskirche in den Familien, durch die Präsenz in den sozialen Medien, durch Zeichen der Aufmerksamkeit für ältere Menschen, die allein in ihren Wohnungen sind. Es wird weiterhin Gottesdienstübertragungen in Rundfunk und Fernsehen geben. Der Notstand hat eine beeindruckende, großzügige Solidarität ausgelöst. Ein hohes Maß an caritativer Solidarität wird weiterhin notwendig sein. Ich bitte weiterhin um die Verbundenheit im Gebet.
Wir sind noch weit davon entfernt, unser Glaubensleben ohne Einschränkungen zu verwirklichen. Vielleicht kann der Verzicht in den vergangenen Wochen deutlich machen, wie kostbar die Gabe des Glaubens und der Gemeinschaft ist. Und es kann uns ein Wort von Papst Franziskus aus seiner heurigen Osternachtspredigt berühren: „Heute Nacht erlangen wir ein Grundrecht, das uns nicht genommen werden wird: das Recht auf Hoffnung.“ Der Glaube an die Auferstehung möge uns Christinnen und Christen die Hoffnung geben, dass nach dieser schweren Zeit ein vertieftes gemeinsames Glaubensleben erfahrbar ist. Mit den ab Mitte Mai geltenden neuen Möglichkeiten machen wir einen weiteren Schritt darauf zu.
+ Manfred Scheuer, Bischof von Linz
Wort zum Sonntag
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