Dr. Richard Geier, Kanonikus, ist Pfarrer von St. Margarethen im Burgenland und Leiter der dortigen Passionsspiele.
In schwieriger Zeit erfahren die Israeliten von ihrer Berufung: Sie sollen in nächster Nähe zu Gott leben als sein heiliges Volk.
In jenen Tagen kamen die Israeliten in die Wüste Sínai. Sie schlugen in der Wüste das Lager auf. Dort lagerte Israel gegenüber dem Berg. Mose stieg zu Gott hinauf. Da rief ihm der Herr vom Berg her zu: Das sollst du dem Haus Jakob sagen und den Israeliten verkünden: Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und zu mir gebracht habe. Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören.
Gottes Treue zu seinem Volk ist unverbrüchlich. Durch die Erlösungstat Jesu Christi gibt es nichts mehr, was zwischen Gott und den Menschen steht.
Schwestern und Brüder! Christus ist, als wir noch schwach waren, für die zu dieser Zeit noch Gottlosen gestorben. Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht gemacht sind, werden wir durch ihn erst recht vor dem Zorn gerettet werden. Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Gottes Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben. Mehr noch, ebenso rühmen wir uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben.
Aus Mitleid mit den Menschen sendet Jesus seine Jünger aus. Sie sollen allen Notleidenden das Erbarmen Gottes bringen in Wort und Tat.
In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden! Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen. Die Namen der zwölf Apostel sind: an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes, Philíppus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus, Simon Kananäus und Judas Iskáriot, der ihn ausgeliefert hat. Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht den Weg zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samaríter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
Bei einer Priesterkonferenz, an der ich teilnahm, wurde viel gejammert und auch der Sinn des Priesterberufes in Frage gestellt, bis einer aufstand und beschwörend sagte: „Der Sinn des Priesterlebens ist das Zeugnisgeben für Christus!“ Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen: Wer Priester sein will, muss auch heute leben und fühlen wie Christus!
Das Evangelium von der Aussendung der Jünger beginnt bezeichnenderweise mit dem Mitgefühl Jesu, das er für die Menschen bis in seine Eingeweide (so der griechische Urtext) spürt. Aber wer soll Hilfe bringen? Namentlich schickt er seine Jünger aus, um Krankheiten zu heilen, Dämonen auszutreiben und den Anbruch des Gottesreiches zu verkünden. Ist durch die Aufrufung der Zwölf eine besondere Klasse von Jüngern von Jesus gegründet worden, zu der nicht jeder und jede dazugehören darf?
In der Vergangenheit war das ein klerikales Missverständnis, das man angesichts des Priestermangels in heutiger Zeit endgültig korrigieren sollte. Die Zahl Zwölf steht in der Bibel immer stellvertretend für die Gesamtheit. Der Herr benennt zwölf Jünger, weil er das gesamte Volk Gottes in der Verpflichtung sieht. Schon allein aus Solidarität mit den Notleidenden braucht es unendlich viele Erntehelfer in den Augen Jesu. Alle sind Priester, weil Jesus allen Anteil gibt an seinem Priestertum. Die namentlich genannten sind Diener der gemeinsamen Berufung zum königlichen Priestertum
des ganzen Volkes (1. Lesung). Diesen Dienst versehen sie nach dem
Vorbild Jesu von unten und nicht von oben her. Nur so können sie Zeu-
gen sein und andere zum Zeugnis motivieren.
Dr. Richard Geier, Kanonikus, ist Pfarrer von St. Margarethen im Burgenland und Leiter der dortigen Passionsspiele.