P. Karl Schauer OSB, Bischofsvikar in der Diözese Eisenstadt. Den Autor erreichen Sie unter sonntag@koopredaktion.at
Israels Gott wirkt in der Welt, in der Geschichte, im Leben der Menschen. Gott schreibt Geschichte und er schreibt mit uns allen eine besondere Geschichte. Gott schreibt gerade auch auf krummen Zeilen.
Mose sprach zum Volk; er sagte: Forsche einmal in früheren Zeiten nach, die vor dir gewesen sind, seit dem Tag, als Gott den Menschen auf der Erde erschuf; forsche nach vom einen Ende des Himmels bis zum andern Ende: Hat sich je etwas so Großes ereignet wie dieses und hat man je solches gehört? Hat je ein Volk mitten aus dem Feuer die donnernde Stimme eines Gottes reden gehört, wie du sie gehört hast, und ist am Leben geblieben? Oder hat je ein Gott es ebenso versucht, zu einer Nation zu kommen und sie sich mitten aus einer anderen herauszuholen unter Prüfungen, unter Zeichen, Wundern und Krieg, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm und unter großen Schrecken, wie alles, was der Herr, euer Gott, in Ägypten mit euch getan hat, vor deinen Augen? Heute sollst du erkennen und zuinnerst begreifen: Der Herr ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst. Daher sollst du seine Gesetze und seine Gebote, auf die ich dich heute verpflichte, bewahren, damit es dir und später deinen Nachkommen gut geht und du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt für alle Zeit.
Der Gott Jesu Christi ist nicht einfach nur der liebe Gott, sondern auch der gerechte, manchmal der zornige, auch der verborgene Gott. Auch die Gottesfinsternis ist dem Glaubenden nicht fremd. In seiner tiefsten Tiefe aber ist Gott Liebe.
Schwestern und Brüder! Alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Kinder Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, sodass ihr immer noch Furcht haben müsstet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selber bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden.
Macht alle Völker zu meinen Jüngern und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gleichgültigkeit Gott gegenüber und Gottvergessenheit nehmen auch den Blick für die Menschen.
In jener Zeit gingen die elf Jünger nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Am Sonntag nach Pfingsten feiern die Kirchen des Westens das Fest der Dreifaltigkeit Gottes. Dieses Fest ist nicht nur der Versuch, sich der Wahrheit Gottes anzunähern, es ist die „theologische Klammer“, welche die heilsgeschichtlichen Ereignisse von Weihnachten, Ostern und Pfingsten beinhaltet. Jede Annäherung an das christliche Gottesbild muss sich an der Aussage vom dreifaltigen Gott messen. Diese ist die Zusammenfassung eines langen philosophischen und theologischen Ringens und vor allem des Feierns und der Liturgie der ersten Christen. Die Weisheit des Ostens und des Westens, die frühe Kirche und die apostolische Überlieferung sind das Fundament des Redens über Gott. Er ist keine Ideologie, kein Denkkonstrukt, sondern Beziehung, Offenheit und Hingabe. Gott ist ein Geheimnis! Das sollte der erste und der letzte Satz aller Theologie, allen Redens von Gott sein. Das Reden über Gott darf nicht den frommen Spezialisten und charismatischen Träumern überlassen werden, der Gott der Glaubenden ist zugleich immer auch der Gott der Suchenden. Glaube und Atheismus sind zwei Sichtweisen der Verborgenheit Gottes, der Undurchdringlichkeit seines Geheimnisses. Der hl. Thomas von Aquin sagt, dass wir mit dem Verstand zwar zur Überzeugung kommen können, dass Gott existiert, aber immer zugeben müssen, dass wir Menschen nicht wissen, wer Gott ist und wie er ist. Der evangelische Theologe Karl Barth merkt nach langem Nachdenken an: „Gott spricht – Deus dixit!“ Mit diesem einfachen Satz beginne die Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes. Gott spricht, vom ersten Anfang bis zur letzten Vollendung, er sagt sein schöpferisches Wort, das geistvoll ist und Leben schafft – immer und durch alle Zeit. Das Ringen mit Gott und das Ringen um Gott ist schon im Buch Genesis, das von der Gotteserfahrung des Erzvaters Jakob erzählt, grundgelegt. Das Reden von ihm und über ihn darf nie harmlos sein, sollte es nicht peinlich werden. „Was fehlt, wenn Gott fehlt?“ Der Schriftsteller Martin Walser, ein Ringender, fügt die Antwort hinzu: „Er fehlt – mir!“
Zum Weiterdenken
Ist mein Glauben zuerst Gottsuche oder nur eine Frage von Gefühlen oder Stimmungen? Kann ich damit leben, dass Gott immer größer, unsagbar, ganz anders ist und meinen Wünschen und Vorstellungen von ihm niemals entspricht? An Gott glauben heißt, mit ihm ringen. Suchen, zweifeln, hadern, mit Gott streiten sind so ehrlich wie der Lobpreis und die Dankbarkeit. Der Erfahrungsschatz der Kirche ist unausschöpflich.
P. Karl Schauer OSB, Bischofsvikar in der Diözese Eisenstadt. Den Autor erreichen Sie unter sonntag@koopredaktion.at