Vorgeburtliche Psychologie fördert wichtige Erkenntnisse zu Tage
Ausgabe: 2002/43, Mutter, Schwangerschaft,
23.10.2002
- M. Kronthaler
Unser Leben im Mutterleib hat weit größeren Einfluss auf unsere Gesundheit, unsere Liebes- und Beziehungsfähigkeit, als uns bewusst ist. Das machte eine Tagung der „Aktion Leben“ in Linz deutlich.
Der Heidelberger Therapeut Terence Dowling berichtete vor knapp 100 Teilnehmerinnen über neueste Ergebnisse auf dem Gebiet der vorgeburtlichen Psychologie. Er zeigte, wie tief verbunden wir im Mutterleib mit der Plazenta sind und wie sehr das, was wir mit diesem ersten „Liebesobjekt“ erleben, unsere späteren Beziehungen und unsere Gesundheit beeinflussen kann.
Vorgeburtliche Störungen oder Verletzungen werden manchmal wiederbelebt, wenn die erste große Liebe im Erwachsenenleben zerbricht oder wenn eine Frau schwanger wird. Der Therapeut hält es für wichtig, bei Problemen mit Kindern oder bei scheinbar unerklärbaren Psychosen, Depressionen oder Ängsten in der Schwangerschaft nach dem Verlauf der eigenen ersten neun Monate im Mutterleib und der Geburt zu fragen: „Jeder Mensch hat ein tief in der Seele gespeichertes Wissen über diese Zeit.“
Nachhaltige Störfaktoren
An einigen konkreten Beispielen zeigte Dowling diese Zusammenhänge auf. So etwa macht Nikotin die Blutgefäße der Plazenta eng, es kommt zu einer mangelhaften Blutversorgung des Kindes. Um sich davor zu schützen, erhöht das Kind seine Herztätigkeit und pumpt Blut durch die Nabelschnur-Arterien in seine Plazenta zurück. Ähnlich reagieren Ungeborene auf Stress der Mutter oder auf ihre schlechte Ernährung.
Kinder, die sich im Mutterleib mit erhöhter Herztätigkeit schützen mussten, können mit einem so genannten Helfersyndrom zur Welt kommen. Denn sie haben im Mutterleib gelernt, sich ihre Existenz durch Leistung (Herzleistung) zu sichern. Sich etwas schenken zu lassen, kann gefährlich sein, so ihre erste Erfahrung im Leben. Als Erwachsene leben sie manchmal in anstrengenden Beziehungen.
Einen großen Schock für das Kind bedeuten Giftstoffe wie Alkohol oder Medikamente, die von der Mutter über die Plazenta in das kindliche Blut gelangen. Das Kind wehrt sich dagegen mit einer niedrigen Herztätigkeit, drückt die Knie zusammen, macht sein Becken fest. Der Sinn dahinter: Das Gesamt-Blut-Volumen soll so klein wie möglich gehalten werden, damit das wichtigste Organ – das Gehirn – genug Blut bekommt. Kinder mit diesen Erlebnissen erkennt Dowling in seiner Praxis meist daran, dass sie Distanz zur Mutter halten und oft kalte Hände und Füße haben.
Dowling erklärte aber auch, dass pränatale Wunden, wenn sie erkannt werden, geheilt werden können – etwa durch liebevolle Behandlung, Zuwendung oder sanfte Massagen.
Selbstbewusste Frauen
Dowling betonte: Ziel dieses Wissens ist nicht, uns mit Schuldgefühlen zu belasten, sondern bewusst zu machen, dass Schwangerschaft ein wunderbarer, natürlicher Zustand ist. Und er warnte vor unnötigen medizinischen Interventionen, etwa wenn Frauen Wehenhemmer verordnet werden, wenn sie eigentlich „nur“ Anleitungen zur Entspannung bräuchten. Skeptisch äußerte sich Dowling auch zu Kreuzstich und Kaiserschnitt ohne medizinische Notwendigkeit. Das Ziel aller Vorbereitungen auf Schwangerschaft und Geburt müssten selbstbewusste Frauen sein, die ihrem Körper und dem Kind im Mutterleib vertrauen.