Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit über Pfarrgrenzen hinaus und die Beteiligung von Ehrenamtlichen an der Pfarrleitung sind zwei Säulen für eine zukunftsfähige Kirche am Ort. Die Diözese Linz hat vier Broschüren veröffentlicht, in denen sie Pfarren und Dekanate vorstellt, in denen dies praktiziert wird.
An wen wenden sich die Broschüren? Monika Heilmann: Besonders an die Menschen in Pfarren, wo eine Veränderung ansteht. Zum Beispiel, dass der Pfarrer am Ort in Pension geht und kein eigener mehr nachkommt. Die Leute nehmen in solchen Fällen Folgendes wahr: Es gibt einen Priestermangel, einen Personalmangel und einen Geldmangel. Wir möchten den Blick darauf richten, dass die Kirche nicht aus Mangel, sondern aus Perspektiven besteht. Ich will den Mangel nicht schönreden, aber es gibt Perspektiven der Entwicklung, es gibt die Lebendigkeit von Christinnen und Christen, die Kirche in den Pfarren gestalten. Wenn die Broschüren für möglichst viele Anregung sein könnten, nicht an den Defiziten hängen zu bleiben, sondern zu einer Vision von Kirche am Ort zu finden, wäre das schön.
Was macht die Diözese, wenn sich abzeichnet, dass einer Pfarre gravierende Änderungen bevorstehen? Heilmann: Wir informieren die Pfarre von den Möglichkeiten, die sie haben, und laden sie ein, sich Modelle in anderen Pfarren anzuschauen.
Trotz aller Begleitung: Solche Veränderungen bringen vermutlich die Pfarren durcheinander ... Heilmann: Natürlich. Die erste Reaktion ist zumeist: „Das gibt’s doch nicht, dass uns die Diözese kein Personal mehr schicken kann. Die Diözese ist doch dazu verpflichtet.“ In dieser Phase ist der Pfarrgemeinderat sehr gefordert. Wir bemühen uns dabei, dass die Pfarre ihren Horizont weitet und sich auf einen spirituellen Prozess einlässt, der auf die Stärkung der Taufberufung abzielt: Was heißt, ich bin getauft? Es geht dann nicht mehr um die Versorgung, sondern um die gemeinsame Seelsorge.
Wäre es nicht einfacher, Großpfarren zu bilden? Heilmann: Aus verwaltungstechnischer Sicht mag das stimmen, aber unser Ziel geht über eine reibungslose Verwaltung hinaus: dass Kirche am Ort – oder wie es die Diözese Linz sagt – im Territorium lebt. Dazu braucht es verstärkt das Engagement der Ehrenamtlichen. Man muss aber auch klar festhalten: Ein Zurück zu den Strukturen, wo sich eine Pfarre selbst genügt, gibt es nicht mehr.
Was bedeutet das? Heilmann: Jede Pfarre – ob mit oder ohne Pfarrer am Ort – muss über ihre Grenzen hinausschauen und die Zusammenarbeit suchen. Stichworte sind neben den Nachbarpfarren zum Beispiel Regionalcaritas, Bildungshäuser, Jugendzentren oder die Ordenshäuser. Ich sehe in Pfarren, die sich nicht abkapseln, sehr viel Entwicklungspotenzial.
Wohin sollen sich die Pfarren entwickeln? Heilmann: Es geht nicht um die Aufrechterhaltung von Strukturen, sondern um die Menschen: dass sie das, was sie vom Evangelium verstanden haben, gemeinsam leben können.
Frau Heilmann, Sie begleiten Pfarren in ihren Veränderungsprozessen. Was bedeutet diese Arbeit für Sie persönlich? Oft darf ich miterleben, wie Menschen ihre Taufberufung erkennen, wie sie plötzlich ganz neue Kompetenzen entdecken – das empfinde ich als großes Geschenk und das macht mir viel Freude. Ich kenne auch das andere: mit Trauer oder Ärger über klerikale Verengungen und Ohnmacht gegenüber der Amtsstruktur konfrontiert zu werden. Da bemühe ich mich, mich nicht in den Sog des Negativen hineinziehen zu lassen, sondern immer wieder neue Wege auszuloten.
Geschichten von der Gegenwart für die Zukunft
Klarheit, Mut, Offenheit und Teilen – die vier Begriffe sind die Titel der neuen Broschüren, in denen die Diözese Leitungsmodelle von Pfarrgemeinden und die Bedeutung von Dekanatsprozessen darstellt. Die Themen werden nicht theoretisch abgehandelt, sondern anhand von Pfarren beschrieben.
Klarheit: Pfarrer – ein Dienst in der Zusammenarbeit mit vielen. Seelsorgeraum Perg.
Mut: Das Seelsorgeteam in Leonstein.
Offenheit: Zusammenspiel von Pfarrmoderatoren und Pfarrassistentinnen der Pfarren Wels-St. Franziskus und Niederneukirchen.
Teilen: Die Dekanatsprozesse der Diözese Linz.
Die vier Broschüren werden durch das Heft „Diözesane Grundsatztexte“ ergänzt.