Wort zum Sonntag
Im Gespräch erklärt sie, was man unter dem Begriff „Spirituelle Sorge“ versteht und wie er sich im Spitalsalltag zeigt.
Was bedeutet der englische Begriff „Spiritual Care“?
Doris Wierzbicki: In einem Krankenhaus hat man die körperlichen Bedürfnisse eines Menschen im Blick. Das ist uns vertraut und auch unverzichtbar. Wenn Patienten psychische Probleme haben, stehen Psychologen zur Verfügung, aber spirituelle Bedürfnisse von kranken Menschen fallen oft durch. So lässt sich Spiritual Care als wissenschaftliche Disziplin beschreiben, die erforscht, wie Spiritualität den Genesungsprozess des Menschen im positiven Sinn beeinflusst und wie das im Alltag eines Krankenhauses praktisch umgesetzt werden kann.
Wie geht Spiritual Care im Alltag eines Krankenhauses?
Wierzbicki: Entscheidend ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufmerksam sind und die spirituellen Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten wahrnehmen. Denn die werden oft ganz nebenbei geäußert. Da sagt jemand, dem man beim Duschen helfen muss: „Mit mir wird’s nix mehr.“ Oder jemand anderer sagt: „Wie habe ich das verdient?“ Es hängt an den Mitarbeitenden, dass sie in der Lage sind, das zu hören und aufzugreifen.
Von welchen Mitarbeitenden eines Krankenhauses reden wir?
Wierzbicki: Von allen, von den Ärzten angefangen über das Pflegepersonal bis zu den Reinigungskräften.
Was sollen die tun?
Wierzbicki: Bewusst hinhören, wenn Patient/innen ihre Sorgen, Ängste und Nöte äußern. Manche aus dem Spitalsteam greifen das selbst auf, den allermeisten liegt das nicht, zumeist ist auch nicht die Zeit dazu, darauf einzugehen. Aber wichtig ist, dass das Personal die Anliegen der kranken Menschen wahrnimmt und entsprechend weitergibt.
An die Seelsorge?
Wierzbicki: Ja, genau. Meine Aufgabe besteht darin, die Mitarbeiter/innen des Hauses dafür zu sensibilisieren. Bei diesen Trainings machen selbstverständlich auch Mitarbeitende mit, die selbst mit Spiritualität wenig anfangen können, aber im Bewusstsein, dass Spiritual Care für die Patient/innen hilfreich ist, das sehr engagiert mittragen. Darum geht es. Nicht jeder Mitarbeiter muss gleichzeitig ein Seelsorger sein. Dazu gibt es ja die ausgebildeten Seelsorger/innen und Therapeut/innen. Aber alle müssen gute Zuhörer/innen sein.
Was bedeutet Spiritual Care für eine Einrichtung wie ein Krankenhaus als Gesamtes?
Wierzbicki: Spiritual Care tut der Kultur der ganzen Organisation gut. Die Sensibilität, die man für die Patient/innen entwickelt, überträgt sich auch auf den Umgang der Mitarbeitenden untereinander. Von Spiritual Care profitieren auch die Mitarbeiter/innen. Und nicht zuletzt hat es auch die Seelsorge gestärkt, weil sie interdisziplinär eingebunden ist.
Was ist Ihre Funktion und Aufgabe in der Klinik Diakonissen Linz?
Wierzbicki: Ich arbeite im Krankenhaus der Diakonissen Linz mit einer halben Stelle als Seelsorgerin. Vor fünf Jahren habe ich an der medizinischen Fakultät der Universität Basel ein zweijähriges Studium in Spiritual Care abgeschlossen. Die Krankenhausleitung der Diakonissen war für die Einführung von Spiritual Care offen. So haben wir 2017 begonnen, auf diese Weise zu arbeiten. In der Zwischenzeit wurde das Projekt auf unbestimmte Zeit verlängert und auf weitere Einrichtungen des Diakoniewerks Gallneukirchen ausgeweitet: konkret auf mehrere Altenheime. Ebenso haben wir im Behindertenbereich begonnen. Mittlerweile bin ich auch im Diakoniewerk Gallneukirchen für „Spiritual Care“ zuständig. «
Doris Wierzbicki hat ein Buch über ihre Erfahrungen mit Spiritual Care verfasst, das soeben erschienen ist. Mit ihrer Erfahrung, die sie in der Klinik Diakonissen Linz seit 2017 sammeln konnte, ist sie in Spiritual Care eine Vorreiterin: Doris Wierzbicki: Spiritual Care in der Praxis. Wie die Implementierung in den Klinikalltag erfolgreich gelingt. Kohlhammer Verlag, 160 Seiten, € 39,–.
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