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Im März vor 80 Jahren verlor der österreichische Staat mit dem „Anschluss“ an Deutschland seine rechtliche Existenz. Auf wie sicheren Beinen steht die Demokratie heute?
Thomas Stelzer: Ich hoffe, sehr sicher. Ich sehe es als Auftrag an uns, die wir politische Ämter haben, dass wir unser demokratisches Gefüge weiter festigen. Aber Demokratie muss auch gelebt und gestaltet werden. Deshalb sehe ich es als meine grundsätzliche Aufgabe, für größtmögliche Gemeinsamkeit zu sorgen und in der Breite zu vermitteln, dass Politik nicht etwas für eine abgeschlossene Gruppe ist. Demokratie lebt davon, dass man sich einmischt. Das reicht von der Wahlbeteiligung bis zu lebhafter Teilnahme bei verschiedenen Themen.
Am 6. April sind Sie ein Jahr im Amt. Gibt es etwas, worauf Sie stolz sind oder wo Sie gerne schon weiter wären?
Stelzer: Weiter wäre ich immer gern! Aber das gehört dazu. Man muss sich Ziele setzen und darf sich nicht mit dem Erreichten zufriedengeben. Das heurige Jahr läuft wirtschaftlich, aber auch zum Thema Arbeitsplatz und Wohlstandssicherung sehr gut. Das hat natürlich mit gesamteuropäischer Wirtschaftsentwicklung zu tun. Aber dass wir in Oberösterreich einen Tick besser sind, hängt schon damit zusammen, dass wir richtige Rahmen gesetzt haben, begonnen bei der Forschung bis hin zu den nötigen Infrastrukturmaßnahmen. Darum war es mir in meinem ersten Jahr so wichtig, dass wir ohne Schulden durchkommem, um Spielräume zu schaffen für Phasen, wo man wieder Geld aus der öffentlichen Kassa braucht.
Sie möchten ein Partner für Leistungswillige sein, das haben Sie bereits vor Ihrer Amtszeit betont. Was bedeutet Leistung für Sie? Wo sehen Sie Leistungsunwilligkeit?
Stelzer: Unter Leistung verstehe ich, wenn jemand sich bemüht, sein Leben zu gestalten, es in die Hand zu nehmen, es eigenverantwortlich zu führen, und dafür alle Gelegenheiten, die es gibt, wahrnimmt. Dadurch trägt er oder sie massiv dazu bei, dass wir in der öffentlichen Gestaltung Mittel haben. Um für jene, die nicht leisten können - und da bin ich bei weitem nicht beim Unwillen, weil Sie das ansprechen, sondern da bin ich beim Können -, wirklich da zu sein. Oder für Aufgaben, wo der oder die Eigenständigste überfordert ist. Dafür gibt es die Gemeinschaft. Mir ist aber wichtig, dass der Abstand zwischen der Hilfe in Notlagen zu dem, was man sich aus eigener Arbeit erwerben kann, groß ist. Damit man motiviert ist zu arbeiten.
Der sogenannte Familienbonus war stark im Gespräch. Jene mit Einkommen haben einen steuerlichen Bonus, und jene in prekären Situationen haben keinen. Meinen Sie, da müsste man entgegensteuern?
Stelzer: Da muss man genau sein und den Begriff Entlastung genau anschauen. Wen kann ich entlasten? Gemeint ist von dem, was er beitragen muss an Steuer- oder Abgabenlast, und das kann man nur die, die Steuern zahlen. So ist der Familienbonus auch gestaltet. Die zum Steueraufkommen stark beitragen, sollen entlastet werden, indem sie pro Kind 1500 Euro bekommen. Alle, die keine Steuern zahlen, weil sie zu geringe Einkommen haben oder aus einem anderen Grund befreit sind, sind generell vom Steuersystem entlastet. Da greifen ohnehin andere Unterstützungsmaßnahmen. Ich halte den Familienbonus für richtig, weil ein Entlastungssignal für Steuerzahlende ganz wichtig war.
Die Kürzung des Sozial- und des Kulturbudgets stellt Organisationen und Initiativen vor große Herausforderungen. Haben Sie Verständnis für die Proteste der vergangenen Monate?
Stelzer: Mir war wichtig, dass wir bei der neuen Haushaltsgestaltung keine Schulden machen und dass wirklich alle Bereiche dazu beitragen, damit wir uns Schwerpunkte leisten können. Mir war klar, dass es nicht auf Gegenliebe stößt, wenn etwas weniger wird, und dass es von der Sorge bis zum Protest einiges geben wird. Ich gebe zu, wenn dann großer Protest stattfindet, ist das nicht angenehm. Ja, ich verstehe es, wenn sich manche rühren. Aber ich habe versucht, die Entscheidungen mit guten Argumenten zu versehen. Im Sozialbudget wachsen wir jährlich um drei Prozent und die Schulden haben wir mit einer Sondermaßnahme getilgt. Im Kulturbereich haben wir eines der größten Budgets aller Bundesländer. Ich habe gerade mit Leuten gesprochen, die Projekte vorhaben, auch in der sogenannten freien Szene. Wir werden in der Vielfalt heuer sehr viel möglich machen können. Ich will das persönlich und ich sehe es als meine Aufgabe, im Gespräch zu sein. Das heißt nicht, dass man immer auf denselben Nenner kommt, aber da bleibt von mir die Tür immer offen.
Die Landesregierung hat vor kurzem eine Strategie beschlossen, mit der die Gleichstellung von Frauen und Männern bis zum Jahr 2030 erreicht werden soll. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Stelzer: Frauen in Entscheidungspositionen zu bringen, das ist eine Daueraufgabe. Da sind wir beim Land bei weitem noch nicht dort, wie wir uns das vorstellen. In der Einkommens- oder Entlohnungssituation tun wir uns im öffentlichen Bereich etwas leichter, weil die Gehälter gleich sind, egal, ob Frau oder Mann. Ein Thema sind die Karriereverläufe. Kann „frau“ dort wieder einsteigen, wo sie zuletzt die Arbeit verlassen hat? Das sind aus meiner Sicht die Rahmenbedingungen, die man noch besser gestalten muss. Ich bin kein Freund der Quote, weil ich mich gegen starre Systeme wehre. Aber offensiv mehr Gelegenheiten schaffen, dass Frauen Positionen einnehmen, das gehört sicher gemacht.
In Oberösterreich steht die ÖVP seit der Wahl 2015 in einer Koalition mit der FPÖ. Wie sehen Sie den Einfluss der Burschenschaften?
Stelzer: Ich persönlich lasse keinen Zweifel aufkommen, dass es Grenzen dessen, was man sagen kann und erst recht tun kann, gibt. Das muss man immer wieder betonen und einfordern. Ein Fall wie in Niederösterreich [antisemitische Lieder im Liederbuch der Burschaft Germania, Anm. d. Red.], das ist einfach inakzeptabel. Bei uns im Lande läuft die Zusammenarbeit mit der FPÖ wirklich gut. Unser Regierungspartner hat immer klar gesagt, dass es auch für ihn Grenzen gibt.
Die Rolle der Caritas wird von FPÖ-Seite sehr kritisch gesehen. Wie zufrieden sind Sie mit der Kirche als Partnerin in landespolitischen Fragen?
Stelzer: Die Kirche, und das ist ja noch mehr als Caritas, ist für mich nicht nur ein wichtiger, sondern auch ein verlässlicher Partner in vielen Bereichen. Das heißt aber nicht, dass ich auch mit allem, was kirchliche Vertreterinnen und Vertreter sagen, inhaltlich übereinstimme oder dass ich nicht manch ein kritisches Wort überzogen finde. Aber da ist mir das Gespräch immer wichtig. Rund um die Neuaufstellung des Sozialbereiches hat es einiges an Diskussionen gegeben, aber ich glaube, ich konnte klarstellen, dass wir an einem Weiterbau arbeiten und interessiert sind.
Zu Ihren Arbeitsschwerpunkten gehört die Jugend. Was möchten Sie für junge Menschen erreichen?
Stelzer: Das Jugendressort hat ein breites Angebot, von Unterstützung der Jugendarbeit, die es auch im kirchlichen Bereich gibt, über Gemeindejugendarbeit und Jugendzentren, und in letzter Zeit sehr stark – da bin ich bei meinem Hauptziel – in Richtung Einbindung junger Leute in Gestaltungsprozesse. Das sind Gemeindeprojekte, wo es Begleitung gibt und Gruppen interessierter junger Leute eine Zeit lang gecoacht werden. Sie erarbeiten konkret etwas für die Gestaltung vor Ort und das wird auch umgesetzt.
Das halte ich für wichtig, weil da Demokratie-Erleben spürbar und ganz selbstverständlich wird, und das werden wir sicher weiter forcieren.
Wenn Sie auf das erste Jahr zurückschauen: Ist das Amt so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Stelzer: Ich bin kein „Frischgfangter“, auf Oberösterreichisch gesagt, aber es hat mich dann schon einiges überrascht. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es noch einmal intensiver ist. Ich bin am Ende der Kette, der entscheiden muss und der – Gott sei Dank – auch überall bekannt ist und erkannt wird. Der Privatbereich ist dadurch kleiner. Aber es macht mir auch Freude. Ich habe mir die Aufgabe gerne ausgesucht.
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