Brief an Adalbert Stifter. Eine Arbeit des Künstlers Wolfgang Stifter aus dem Jahr 2004/05, zu sehen in der Bilger-Galerie des Stiftes Schlierbach. Fotos: Bilger-Galerie und Gelsinger
„Es gibt nichts Schöneres als die Welt durch farbiges Glas zu sehen“ – diese Erinnerung verbindet den Künstler Wolfgang Stifter mit dem Stift Schlierbach und seiner Glaswerkstätte. Die aktuelle Ausstellung in der Bilger-Galerie präsentiert nun seine Werke.
MARTINA GELSINGER
Der erste Blick in den Raum fällt auf ein hochformatiges Bild, das unter dem Titel „Länge x Breite x Breite“ ein dichtes – mitunter tänzerisches – Gewirr an Linien zeigt: Es ist „ein Brief an Adalbert Stifter“. Durch alle ausgestellten Arbeiten zieht sich ein Duktus: Zeichen, die sich verdichten und wieder auseinander gehen – Kompositionen, die über die gesamte Bildfläche einen Spannungsbogen führen und deren Bedeutung den Betrachtenden bei jedem Blick neue Rätsel aufgibt.
Früh begonnen
Schon als Kind begleitete Wolfgang Stifter seinen Vater Alfred in die Glaswerkstätte. Alfred Stifter hat zahlreiche Kirchen und öffentliche Gebäude mit seinen Glasfenstern ausgestattet (siehe auch KIZ Nr. 22). Heute ist Wolfgang Stifter, Professor an der Kunstuniversität Linz und in den 1990er Jahren auch deren Rektor, eine festgeschriebene Größe in der österreichischen Gegenwartskunst. Groß hat er auch als Kind schon gezeichnet. Die Arbeiten des Vaters vor Augen, versuchte er sich bereits als Vierjähriger an überlebensgroßen Zeichnungen – mit Erfolg: Monsignore Otto Mauer, Doyen des Dialogs von Kunst und Kirche in Österreich, entdeckte sein Talent und präsentierte sieben seiner Kinderzeichnungen in der Galerie nächst St. Stephan in Wien.
Alles, was der Fall ist
Die Kompositionen, die in der Schlierbacher Ausstellung zu sehen sind, entstanden in den letzten vier Jahren und bewegen sich zwischen Kalligraphie, chinesischen Schriftzeichen und impulsiven Chiffren. Die vierteilige Arbeit „Koinzidenz oder Die Welt ist alles, was der Fall ist“ hat der Künstler eigens für den Raum geschaffen. Das Zusammentreffen, die Gleichzeitigkeit, etwa von Ereignissen, interessiert ihn besonders: „Ein Tag könnte beispielsweise ein Bild sein“, so Stifter.
Faszination für das Geschriebene
Ein Zweites, das ihn fasziniert, ist „alles Geschriebene“: „Es kann passieren, dass ich arabische Zeitungen kaufe, ohne zu verstehen, was darin steht.“ Eine besondere Anziehung üben vor allem auch handschriftliche Partituren auf den in Ottensheim lebenden Künstler aus. Bei seinen Pinselzeichnungen gelingt es ihm, eine ausgewogene Komposition zu erreichen, indem er den Schlusspunkt, das Finale, an der richtigen Stelle, zum richtigen Zeitpunkt setzt. Die Welt ist im Stift Schlierbach jedenfalls nicht nur durch farbiges Glas zu sehen, sondern auch durch die Brille der zeitgenössischen Kunst. Bis 22. August laden die Pinselzeichnungen von Wolfgang Stifter zu dieser Auseinandersetzung ein.
Bilger-Galerie-Info: Tel. 07582/830 13.
ZUR SACHE
Kunst unserer Zeit
Die Gleichzeitigkeit von Offenheit, Transparenz und Bodenhaftung fasziniert Pater Alfred Strigl, Leiter der Glaswerkstätte und Motor der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst im Stift, besonders an Stifters Arbeiten. Zur „Notwendigkeit“, sich im Stift zeitgenössischer Kunst zu öffnen, meint er: „Unser Denken ist sehr vielschichtig und diffus. Wir müssen auf das, was uns diese Arbeiten eröffnen, einsteigen und uns auf diese Weise mit der Geisteswelt unserer Zeit auseinander setzen. Kunst ist mehr als lieblich und schön. Das sind für mich keine Bewertungskriterien. Wir Christen müssen uns fordern lassen“, ist Pater Alfred überzeugt. „Auch Paulus hat sich fordern lassen. Hier haben wir als Stift einen Auftrag zu erfüllen, der sich auch in der Herausforderung mit zeitgenössischer Kunst zeigt.“
Ausstellung im Stift St. Florian
Die Malwerkstatt Graz – eine Einrichtung von „Jugend am Werk“ – stellt im Stift St. Florian ihre Arbeiten aus. Unterschiedliche Stile, Techniken und Herangehensweisen sind das Markenzeichen der Gruppe, in der Menschen mit besonderen Bedürfnissen tätig sind. Ausstellungsdauer im Stift St. Florian: bis 15. September 2006.