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Mia kommt bei der Tür herein und steuert zielsicher auf ihren Platz in der Garderobe zu. Das kleine Mädchen setzt sich in die Ecke, zieht Jacke und Schuhe aus und hält nach den Patschen Ausschau. Da sind sie! Ein Abschiedsbussi für Mami, ein kleines Lächeln huscht übers Gesicht und schon rauscht die quirlige Fünfjährige in den Gruppenraum des Kindergartens. Heute steht noch eine Adventfeier auf dem Programm. Nur ja nichts versäumen, denkt Mia sich wohl. Ihre Mama macht sich auf den Heimweg. „Wenn ich nochmals die Wahl hätte, ob ich ein ‚normales‘ Kind oder Mia bekommen möchte, dann brauche ich nicht eine Sekunde zu überlegen: ich möchte wieder unsere Mia haben. Sie ist ein Geschenk“, sagt Petra Lennert. Und sie sagt es mit fester Stimme und einem Lächeln im Gesicht. Ganz ohne Pathos.
Mia, ihr Sonnenkind, ist jetzt fünf Jahre alt und hat Trisomie 21. Sie besucht einen heilpädagogischen Kindergarten der Caritas in St. Isidor und nimmt ganz selbstverständlich am Leben der Familie teil. Selbstverständlich. Normal. – So sehen das auch Mias Eltern, Petra und Andreas Lennert aus Leonding. Ein Leben ohne Mia ist nicht vorstellbar.
Petra erinnert sich noch gut an Mias Geburt: „Sie war so lieb da. Sie hat die ganze Zeit gelächelt und war sehr zufrieden.“ Alles war ganz unkompliziert und sehr entspannt. Von
ihrem Wesen war die ganze Familie verzaubert. Auch die beiden älteren Schwestern Laura und Flora waren von Mia begeistert. Die beiden meinten nach dem ersten Kennenlernen: „Mia ist so süß. Sie schaut aus wie eine Chinesin.“
Die erste Zeit der Schwangerschaft verlief ohne Auffälligkeiten. Petra fühlte sich gut, genauso wie bei den ersten beiden Kindern. Als beim Organscreening in der 22. Woche ein erster Hinweis auf Trisomie 21 („Downsyndrom“) angedeutet wurde, fiel Petra zunächst aus allen Wolken. Die ungetrübte Zeit der Schwangerschaft war plötzlich vorbei. Tröstungen und Beschwichtigungen folgten. Und eigentlich wollten Petra und Andreas es gar nicht so genau wissen. „Wir nehmen es, wie es kommt“ – so war die Haltung der beiden stets gewesen. Weitere Tests, um etwaige lebenserhaltende Operationen noch im Mutterleib durchführen zu können, waren notwendig. Beim Herzultraschall in der 30. Woche wurde den besorgten Eltern einmal mehr bewusst, wie hilflos manchmal das medizinische Personal im Umgang mit Krankheit oder Behinderung ist. Mit den Worten: „Es tut mir leid, dass ich Ihnen die Schwangerschaft versaut habe“, entschuldigte sich der behandelnde Arzt für die vermutete Diagnose Trisomie 21 und fügte
tröstend hinzu, dass die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs bis zur 36. Woche noch möglich sei.
Das tat weh. „Oft hab’ ich mich geärgert, dass ich da hingegangen bin. Gleichzeitig war ich froh, dass ich schon eine Ahnung gehabt habe“, sieht Petra den Untersuchungsmarathon bis heute kritisch.
Nach der Geburt ging es einfach darum, im Leben, im Alltag anzukommen.
Das Leben mit einem Kind, das ein Chromosom mehr hat, bedeute nicht soviel an Veränderung, wie manche vermuten oder gar befürchten. Sicherlich, am Anfang habe er es nicht wahrhaben wollen, erzählt Andreas Lennert: „Ich habe dann aufgehört zu hadern, weil es nichts zu hadern gibt. Mia ist ein ganz normales Kind, das sich einfach nur langsamer entwickelt.“ Letztlich habe sich vieles in seinem Leben durch Mias Existenz sogar verbessert: „Das Langsamer-Werden lässt einen bewusster leben und führt zur Entschleunigung des Alltags.“
Mia lebt im Hier und Jetzt. Sie hat ein besonderes Gespür dafür, wie es Menschen in ihrem Umfeld geht und drückt dies auch spontan aus. Dabei weiß sie genau, wieviel Nähe sie braucht und zulässt. „Sie strahlt etwas aus, dass einem guttut“, kommt ihre Mama sofort ins Schwärmen. Mia tanzt und bewegt sich gerne. Im Kindergarten und zuhause hat sie ausreichend Gelegenheit dazu.
Weil heute endlich genug Flöckchen vom Himmel tanzen, könnte im Garten noch ein Schneemann das Licht der Welt erblicken. Wer weiß, was Laura, Flora und ihre kleine Schwester Mia heute noch alles anpacken. Das Leben bleibt spannend. Und schön.
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