Abbé Claude Mbu Mubel ist Direktor der Caritas Kinshasa. Die Hauptstadt der DR Kongo zählt rund zehn Millionen Einwohner/innen. Mit der KirchenZeitung sprach Abbé Claude über die Not in seinem Land, was ihn an Europa beeindruckt und irritiert.
Ausgabe: 2015/32, Caritas, Augustsammlung, Kongo, Abbé Claude
04.08.2015 - Dominik Hennerbichler
Wenn Sie nach Europa kommen: Welche Dinge fallen Ihnen sofort auf? Welche Unterschiede sind im Vergleich zu Ihrer Heimat am größten? Abbé Claude: Es gibt hier keine Armut, oder zumindest sieht man sie nicht. Auch dass die Bildung hier gratis ist, ist für mich fast unvorstellbar. Wenn hier jemand krank ist, geht man zum Doktor. Bei mir zu Hause sterben Menschen schon an kleinsten Verletzungen. Von den Straßen und der Infrastruktur ganz zu schweigen. Hier sieht man überall den Wohlstand und den Fortschritt. Wir hingegen sind Lichtjahre davon entfernt.
Welchen Unterschied sehen Sie bei den Menschen? Europäer sind Individualisten. Für uns ist das Soziale wichtig. Damit will ich nicht sagen, dass ihr hier nicht solidarisch seid. Aber wer hier etwas verdient, hat sein Geld für sich. Ich sorge mit meinem Lohn zu Hause für viele Verwandte.
Was sind die Schwerpunkte der Caritas im Kongo? Große Schwerpunkte sind die Ernährungssicherheit, die Wasserversorgung, die Sanitäreinrichtungen und nicht zuletzt Bildungsprojekte. Wir haben aber auch eine Rückkehrhilfe von Flüchtlingen, die aus Europa wieder zurückkehren.
In welcher Beziehung stehen Sie zu Ihrer Regierung? Gibt es von dieser Seite Unterstützung? Vom Staat kommt keine finanzielle Unterstützung. Es gibt aber Kooperationen. Die Regierung nutzt die gute Infrastruktur der Kirche, um beispielsweise die Lehrergehälter auch in entlegenen Dörfer auszubezahlen, da es keinen funktionierenden Beamtenapparat gibt. Dieser ist nämlich fast immer korrupt und das Geld käme nie dort hin, wo es hin soll. Manchmal wird es uns als Kirche aber vom Staat schon sehr schwergemacht. Immer wieder kommen Regierungsvertreter und verlangen Steuern, die es entweder nicht gibt oder die einfach willkürlich hoch angesetzt werden.
Wie funktioniert aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit der Caritas Linz und Caritas Kinshasa? Sehr gut. Das Geld steht nicht an erster Stelle. Unsere Treffen, der Austausch untereinander ist viel wichtiger. In dieser Partnerschaft geht es vor allem um das Teilen. Beide profitieren durch die Solidarität.
Haben Sie Hoffnung, dass sich die Politik im Kongo irgendwann ändert? Ich bin sehr zuversichtlich. Wir brauchen dazu aber einen Präsidenten oder eine Regierung, die das Leiden des Volkes beenden will. Aber auch die Bevölkerung muss ihren Beitrag leisten. Beide müssen sich annähern und gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten. Gibt es Konflikte aufgrund der verschiedenen Ethnien oder Religionen? Nein. In unserem Land gibt es über 200 unterschiedliche Volksgruppen. In unseren 47 Diözesen sind die Ethnien ebenfalls bunt durchmischt. Aber es gibt keine großen Probleme deswegen. Wir machen keinen Unterschied, ob zum Beispiel Muslime oder Christen in unsere Krankenhäuser kommen. Die kriegerischen Konflikte, die es lange Zeit in unserem Land gab, waren rein politischer Natur. Es ging um Rohstoffe. Diese Konflikte wurden teilweise von außen bewusst geschürt. Man wollte der Bevölkerung damals weismachen, die Ursache sei eine ethnische, das stimmte aber nicht.
Der Flüchtlingsstrom nach Europa reißt nicht ab. Wie sehen Sie die europäische Asylpolitik? Ich finde das alles sehr bedauernswert. Es wird oft vergessen, dass diese Menschen selbst keinen anderen Ausweg mehr sehen. Die allermeisten wollen gar nicht nach Europa, wollen nicht weg von zu Hause. Aber durch die Armut und die Perspektivenlosigkeit sind sie bereit, das große Risiko einzugehen. Es flüchten hauptsächlich Menschen aus Gebieten, in denen es bewaffnete Konflikte gibt. Der Westen trägt nicht unerheblich zur Destabilisierung der afrikanischen Staaten bei. Woher sonst kommen die Waffen und das Geld für die diversen Kriege? Was wünschen Sie sich von Europa? Ich wünsche mir Gerechtigkeit. Im Moment zählt anscheinend nur das Gesetz des Stärkeren.
Was vermissen Sie, wenn Sie auf Reisen sind? (Abbé Claude lacht.) Fufu, eine Art Maisbreiknödel, geht mir ab. Ja, ich vermisse meine Stadt, meine Leute. Vor allem meine Gottesdienstgemeinschaft. Ich freue mich schon auf die erste Messe nach meiner Rückkehr.
Augustsammlung 2015
Schwerpunktland der heurigen Augustsammlung der Caritas ist die Demokratische Republik Kongo. Zwei Drittel der 71 Millionen Einwohner haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und keine tägliche Mahlzeit. Ein Teil der Spenden wird auch für die Flüchtlingshilfe in den Nachbarländern Syriens verwendet.