Im Oktober gastiert der soziale Kinderzirkus „Circo FantazzTico“ aus Costa Rica in Oberösterreich. Der Mühlviertler Roland Spendlingwimmer bietet mit dem Zirkusprojekt sozial benachteiligten Straßenkindern eine Perspektive für ihr späteres Leben.
Ausgabe: 2015/41, Kinderzirkus, Armut, Spendlingwimmer, St. Martin
06.10.2015 - René Laglstorfer
In den 1980-Jahren ging es mit Costa Rica steil bergab. Aus Vollbeschäftigung wurde hohe Arbeitslosigkeit. Mit all ihren sozialen Folgen. „Das größte Problem war, dass mehr und mehr Kinder auf der Straße landeten und mit harten Drogen und sexuellem Missbrauch in Berührung kamen“, erzählt Roland Spendlingwimmer (69). Der gebürtige Mühlviertler lebt seit 35 Jahren in dem zentralamerikanischen Staat und erlebte den Niedergang hautnah mit. Während der Krise gründete er in der Stadt San Isidro zusammen mit dem Bischof und anderen den Verein „Vida Nueva“. Er eröffnete eine Ausspeisungsstelle und lud die bettelnden Kinder ein, Kurse zu besuchen oder ein Handwerk zu lernen, um sie von der Straße wegzubekommen.
Idee mit Zirkus war Zufall
2002 entschied sich der junge Oberösterreicher Gerhard Pürcher, für 14 Monate als Zivildienstleistender bei Spendlingwimmers Verein „Vida Nueva“ mitzuarbeiten: „Gerhard brachte eine Zirkusausbildung vom Sportgymnasium Linz mit. Eigentlich durch Zufall haben wir gesehen: Das ist etwas ganz Großes, das können wir nutzen!“ Pürcher lehrte die Kinder, wie man jongliert und zum Clown und Akrobaten wird. „Mit Ideen und Kreativität lässt sich mehr verdienen als mit Stehlen oder Betteln“, schärfte Pürcher den Kindern ein. Das Zirkusprojekt entwickelte ich zum „Circo FantazzTico“ weiter, der seit 2007 alle zwei Jahre auf Tournee geht. Insgesamt trainieren derzeit rund 250 Kinder und Jugendliche in den Circo-FantazzTico-Projekten.
Schüchternheit abgelegt
Im Oktober machen die 17 Artistinnen und Artisten sowie fünf junge Zirkusmusiker im Alter von 13 bis 22 Jahren in Oberösterreich Station (Termine siehe Kasten). Eine der jungen Artistinnen ist Alexandra Gonzalez (18), die seit zwölf Jahren beim Zirkus mitmacht. „Früher war ich sehr schüchtern. Das hat sich durch das Zirkustraining und die Auftritte geändert“, sagt die Schülerin die bei den Großeltern aufgewachsen ist und dieses Jahr die Hauptrolle im neuen Stück spielt. Ihr macht das Zirkusleben sogar so viel Spaß, dass sie später professionelle Artistin werden will. „Manche schaffen es, andere rutschen wieder ins alte Umfeld ab“, sagt der frühere Freiwillige Timo, der Alexandra kennt, seit sie ein kleines Mädchen war. „Es sind einfach schwierige Verhältnisse und oft sind Drogen mit im Spiel.“ Jene, die es wie Alexandra geschafft haben, mit auf Tournee zu gehen, haben über viele Jahre Talent und Disziplin bewiesen. „Der Circo FantazzTico hat wie eine Bombe eingeschlagen“, sagt Spendlingwimmer über den Enthusiasmus der Kinder. „Sie waren von Anfang an mit großer Begeisterung dabei – und sind es bis heute.“
Das Leben dank Zirkus besser meistern
Aber kann ein soziales Zirkusprojekt Kinder wirklich präventiv vor Armut schützen? „Viele junge Menschen haben dank des Circo FantazzTico einen Prozess der Bewusstwerdung durchlaufen, der ihnen im Beruf geholfen hat, die Lebenssituation zu meistern“, sagt Spendlingwimmer. „Das Selbstwertgefühl steigern, öffentlich vor Publikum auftreten – das sind nur einige Aspekte der Zirkusarbeit, die unglaublich wirkungsvoll sind.“ Seine zirkuspädagogischen Sozialarbeiter gehen heute auch in Waisenhäuser, Schulen für Behinderte und in Jugendgefängnisse, um den Kindern dort ebenfalls Perspektiven zu eröffnen.
Aufführungen
- Freitag, 16. Oktober, 19 Uhr, Neue Mittelschule St. Martin i.M. (Vorverkauf/Reservierungen: Tel. 07232/22 77 11 – Abendkassa).
- Sonntag, 18. Oktober, 11 Uhr, Benefizkonzert in der Landesgalerie Linz. Das Programm wird von zwei Akrobaten des Circo FantazzTico begleitet. Reservierungen: Tel. 0650/229 33 55.