Dr. Wolfgang Pirker hat seit dem Jahr 2000 die Krankheit Parkinson. In seiner Kindheit wurde er im kirchlichen Umfeld sexuell missbraucht und war körperlicher Gewalt ausgesetzt. Kindheitserlebnisse und Krankheit heute versteht er in einem Zusammenhang. Am 16. September 2014 präsentiert er sein Buch in Ried/Innkreis.
Lange Zeit war Pirkers Leben durch die frühen Erfahrungen von Missbrauch und Gewalt schwer belastet. Das Schweigen seiner Umwelt dazu war eine weitere Gewalterfahrung. Scham, Verdrängen, Wut, Trauer – alle Phasen hat auch er durchlitten. Aber nun kann er sich öffnen, darüber reden und ein Leben in neu gewonnener Freiheit führen, sein Leben genießen.
Gute Arbeit der Kommission
Nicht von allen, die ähnliche schlimme Erfahrungen wie Pirker gemacht haben, wird dieser Weg der Versöhnung verstanden. Die Gruppe derer, die im kirchlichen Umfeld Opfer von sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt wurden, ist groß. Das ist auch im von Waltraud Klasnic herausgegebenen Buch „Missbrauch und Gewalt“ nachzulesen. Es dokumentiert die Arbeit der Opferschutzkommission. Pirker ist im Einklang mit der „Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt“ die ersten Jahre auf Distanz zur Klasnic-Kommission gewesen. Man nahm ihr, die von Kardinal Schönborn eingesetzt wurde, die Unabhängigkeit nicht ab. Heute anerkennt Pirker die viele und gute Arbeit der Kommission. An sie wurden bis Ende 2013 mehr als 1300 Fälle gemeldet. Für knapp 1200 Opfer wurden 17 Millionen Euro Entschädigungen bzw. Kosten von 36.500 Therapiestunden bezahlt.
Prävention ist notwendig
Davon und vor allem auch von der Notwendigkeit zur Prävention werden die Mitglieder der Kommission – Waltraud Klasnic und Kurt Scholz – bei der Veranstaltung in Ried (siehe rechts) berichten. Es ist alles zu tun, damit solche Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in Zukunft nicht mehr vorkommen, appellieren auch im Buch z. B. Kurt Scholz und Hubert Feichtlbauer, die vom System und von Strukturen der Gewalt in der Kirche sprechen – und auch Strukturen der Verdrängung anklagen.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Wolfgang Pirker hat ein Buch geschrieben, in dem er der narrativen Medizin das Wort redet: Der Patient erzählt seine Lebensgeschichte. Und diese Geschichte, die bei ihm in einem Kärntner Dorf im Umfeld von viel Arbeit begonnen hat, führte ihn durch Jahre des Missbrauchs und der Gewalt bis herauf in die Gegenwart, zu der seit nunmehr 14 Jahren auch die Krankheit Parkinson gehört. Er kann es nicht beweisen, aber für ihn ist klar: Was er erlebt hat, was ihm angetan wurde, seine Lebensgeschichte, hat Anteil an dieser Krankheit. Das Hinabsteigen in die Erinnerungen, zu der auch die Konfrontation des Täters mit der Frage „Warum?“ gehörte, und die tiefe Trauer sind wesentlich für ihn geworden, sich zu befreien. So ist er versöhnt, kann sich mit Zuversicht dem Heute und der Zukunft zuwenden, kann in der Kindheit auch Positives entdecken. Was passiert ist, ist nicht mehr zu ändern, nur noch zu benennen. Was kommt, ist noch gestaltbar.
Zur Sache
Buchpräsentation und Diskussion – erschütternde Erfahrungen und notwendige Konsequenzen.
Am 16. September laden Bildungszentrum St. Franziskus, Volksbildungswerk, Netzwerk M.u.T., Treffpunkt der Frau Ried und KirchenZeitung zur Veranstaltung „Missbrauch und Gewalt“ nach Ried ein. Es referieren und diskutieren die Vorsitzende der Unabhängigen Opferschutzkommission, Waltraud Klasnic, der einstige Wiener Stadtschulratspräsident Dr. Kurt Scholz, Mitglied der Kommission, Opfervertreter und ehemaliger Rieder Stadtrat Dr. Wolfgang Pirker sowie der Künstler und Autor Rainer König-Hollerwöger. Das Buch „Missbrauch und Gewalt“ wird präsentiert.
Buchpräsentation und Diskussion: Di., 16. September, 19 Uhr, Riedbergpfarrsaal, Ried/Innkreis, Anmeldung: Bildungszentrum St. Franziskus, Tel. 07752-82 742.
Buchtipps: Wolfgang Pirker: Barrieren.FREI, 2. erw. Aufl., Edition Art Science, 286 S., € 17,–.
Missbrauch und Gewalt, Hrsg. Waltraud Klasnic, Leykam, 192 Seiten, € 20,40.