„Es gibt Momente im Alltag, wo wir auf einmal tief berührt sind, Augenblicke, in denen Tränen der Rührung kommen. Bei mir ist es jedenfalls so“, erzählt Montessori-Pädagogin und Buchautorin Heide Maria Rossak. Berührt zu werden ist für sie ein Geschenk des Himmels.
Ausgabe: 09/2017
28.02.2017 - Heide Maria Rossak
Ein Satz, manchmal auch nur ein einzelnes Wort, das wir lesen oder das jemand zu uns spricht, ein die Spannung aufbrechendes Lächeln, eine zärtliche Geste, eine Melodie oder eine Filmszene berührt uns plötzlich, unerwartet und ohne dies selbst gewollt oder bewusst herbeigeführt zu haben.
Wenn uns etwas berührt, hat es mit uns selber zu tun
Niemals wird uns etwas zutiefst in unserem Kern bewegen, wenn es nicht etwas mit uns selbst, mit unserer Biografie, unserer persönlichsten Sehnsucht oder unserer Lebensaufgabe zu tun hat. Das erklärt, warum jemand in seinen Grundfesten erschüttert sein kann, während ein anderer aus demselben Anlass kaum mit der Wimper zucken mag. Natürlich sind Menschen auch unterschiedlich feinfühlig und empathiefähig, über eine sensible Antenne für Gefühle verfügt wohl jeder Mensch, auch wenn sie manchmal stark abgeschottet oder zugepanzert ist.
Momente, die berühren können
- ein vertieft spielendes Kind
- eine gute Nachricht
- ein beeindruckendes Naturschauspiel
- Worte und Gesten der Versöhnung
- Abschied und Wiedersehen
- empfangenes Mitgefühl
- eine zärtliche Berührung
- ein aufrichtiges Danke
- einander wortlos zu verstehen
Die Gegenwart Gottes erfahren
Mehr und mehr sind mir Momente in meinem Leben geschenkt, in denen ich zum Beispiel während des Messbesuches die Gegenwart Gottes plötzlich wahrnehme und sie mich wie eine Woge mitnimmt. Einmal löst ein Wort im Evangelium, einmal der Schlusssegen und ein andermal ein Lied dieses Gefühl in mir aus.
Dann bekomme ich Gänsehaut, Tränen steigen mir in die Augen und ich bin einige Atemzüge lang in meinem Innersten berührt und fühle mich zutiefst geborgen und getröstet. Alle Sorgen sind auf einmal ganz klein und erscheinen mir als nichtig im Vergleich zur Unendlichkeit der Liebe und Fülle, von der ich gerade einen Hauch abbekomme. Manchmal empfinde ich deutlich, dass Jesus Christus es ist, von dem ich mich berührt fühle. Dabei wird mir unendlich warm ums Herz – der Heiland ist bei uns – und ich spüre die Gewissheit, dass auch in mir alles heil wird.
Was ermöglicht mir die Erfahrung solch bewegender spirituelle Momente? Liegt es daran, dass ich sensibler und offener dafür geworden bin und nur etwas wahrnehme, das ohnehin ständig um mich ist und schon immer um mich war? Hat es etwas damit zu tun, dass mein Glaube fundamentaler geworden ist, dass ich Gott bewusst suche, oder erfahre ich diese Zuwendungen des Himmels einfach aus Gnade? Es macht keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Nicht der Verstand, sondern die Weisheit des Herzens wird Antworten finden, sofern sie überhaupt notwendig sind. Eine davon habe ich bereits gewonnen: „Sei einfach dankbar für solche Geschenke des Himmels!“ Wir können es nicht erzwingen, dass wir berührt werden. Es geschieht uns.
Alles erhoffend und nichts erwartend
Wollen wir zulassen, dass Gott uns berührt, sei es durch eine Geste, durch einen Menschen, sei es in der Natur, allein oder in Gemeinschaft, in der Stille oder durch Worte und Töne, es bedarf unserer Präsenz im Augenblick, eines offenen Herzens und einer demütigen Haltung. Alles andere ist Gnade.
Anregung
Notieren Sie sich Momente, in denen Sie berührt wurden. Vielleicht möchten Sie Ihre Erinnerungen mit Zeichnungen, Bildern oder Fotos ausschmücken. In „schweren Stunden“ können Sie diese Notizen zur Hand nehmen und sich das Gefühl des Moments wieder leichter in Erinnerung rufen. Dadurch helfen Sie sich selbst, sich getröstet und geliebt zu fühlen.