Tino mag seine Uroma. Aber ihre Geburtstage mag er nicht. Denn zu diesem Fest kommen Gäste aus drei Ländern und fast alle wollen Tino küssen.
Ausgabe: 2017/46
15.11.2017 - Lene Mayer-Skumanz
„Küsschen, Tino!“ – „Nun gib mir einen ordentlichen Schmatz!“ – „Bussibussi, Tino, bussibussi!“ Tino wird geküsst und muss selber küssen. Tanten, Großtanten und Urgroßtanten, sogar einige Onkel. Jede Tante duftet anders, aber auch einige Onkel duften. Mitten im festlichen Gewühl trifft Tino seine Kusine Marianne, klein und fest und sonnenblumenhonig-blond. „Mich musst du nicht küssen –“, sagt sie zu Tino. „Dich würd ich aber –“, antwortet Tino. Endlich kann er sich bis zur Uroma durchdrängen. Er gratuliert ihr, schenkt ihr die Zeichnung, die er für sie gemacht hat und küsst sie auf die Wange. Das ist nicht schlimm, das liebe Runzelgesicht seiner Uroma ist ihm vertraut. „Tino“, sagt sie in sein Ohr, „im Badezimmer links – der Stapel mit den Gästehandtüchern ...“ Tino versteht. Er geht ins Badezimmer. Vor dem Waschbecken steht Marianne, ein kleines rosa Gästehandtuch in der Faust. Sie ribbelt und reibt ihr Gesicht, ihre Haut ist schon ganz gerötet. Tino nimmt ein blaues Tuch, hält es unter den Wasserstrahl, drückt es aus und reibt die Küsse von seinem Gesicht. „Ah –“, sagt er. Marianne lächelt. „Alle Küsse weg?“ „Alle weg!“ „Dann ist Platz für einen Kuss von mir“, sagt Marianne. „Magst du einen?“ „Ja“, sagt Tino. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und drückt ihren Mund auf Tinos linke Wange. Ihre Lippen sind kühl und warm zugleich und duften nach nichts – außer nach Garten. „Du, Marianne, wir könnten hinaus schaukeln gehen“, sagt Tino. An diesem Abend will Tino nicht duschen. Er steigt in die Badewanne. Die Mama sieht, wie er sein Gesicht vorsichtig mit dem Waschlappen betupft: Stirn, Kinn, rechte Wange. Die linke lässt er aus. „Tut dir da was weh?“ fragt die Mama. „Im Gegenteil“, sagt Tino.
Küsschen oder nicht?
Geht es dir auch manchmal so wie Tino? Bei Geburtstagsfeiern und Besuchen von Verwandten ist das Bussi-Geben oft üblich. Aber wenn du das nicht magst, musst du es nicht tun und es ist auch nicht unhöflich. Es ist ausreichend, wenn du grüßt. Das Bussi ist eine Draufgabe und es sollte ganz dir überlassen sein, ob du das willst oder nicht. Wenn dir die Gedanken an die nächste Familienfeier schon Kopfzerbrechen bereiten, dann rede doch einmal mit deinen Eltern über das Thema. Sie haben sicher Verständnis für dich.
2 Bücher zum Verlosen. Die Erzählung von Tino stammt aus einem Buch, in dem noch viele andere Geschichten, Reime, Gebete und Lieder zu finden sind. Die Bastelanleitungen und Spiele sind leicht nachzumachen, weil du dazu fast nur Dinge aus dem Alltag benötigst. Schreib an KiKi. Wie geht es dir mit dem Bussi-Geben? Unter den Einsendungen verlosen wir zwei Bücher. GeschichtenSpiel, Geschichten, Fingerspiele, Lieder und vieles mehr für Eltern-Kind-Gruppen und daheim. Spiegel-Elternbildung, Katholisches Bildungswerk OÖ (Hg.) Erhältlich im SPIEGEL-Büro, Kapuzinerstr. 84, Tel. 0732/76 10-32 21, E-Mail: spiegel@dioezese-linz.at, € 20,– + Versandkosten.