„Bitte einchecken!“, heißt es im Kinderhotel St. Isidor, aber das gilt nur für Kinder. Die Eltern dürfen übers Wochenende nach Hause fahren und wissen, dass ihre Kinder in St. Isidor gut betreut sind. Als Entlastung für Familien mit beeinträchtigten Kindern ist das Kinderhotel gedacht – und wird so auch gerne von den Eltern angenommen.
Ausgabe: 2016/42
18.10.2016
Sophie ist heute flott unterwegs. Ein Wochenende im Kinderhotel steht an – und da will Sophie keine Minute versäumen. Sonst geht sie es eher gemütlich an, erzählt ihre Mutter Gabriela. Sophie kommt gerne ins „Hotel alleine“, wie sie es nennt. Ein Besuch zählt zu ihren Höhenpunkten. Die 16-Jährige genießt es, einmal ohne Eltern die Zeit zu verbringen.
Im Kinderhotel St. Isidor in Leonding kann sie am Samstag ab 10 Uhr einchecken. Eine Betreuungsperson kümmert sich rund um die Uhr um sie. „Sie mag es, wenn sich jemand ganz auf sie konzentriert und sich die Welt um sie dreht“, meint ihre Mama – und schmunzelt. Zwei Jahre stand Sophie auf der Warteliste, mit 14 Jahren war sie das erste Mal da. Sophie kommt aus Waidhofen. „Bei uns gibt es kein vergleichbares Angebot“, erzählen die Eltern und nehmen daher die lange Anreise in Kauf.
Schritt in die Selbstständigkeit
Sophie hat zwei Geschwister: Florian und Katharina, sie ist die Mittlere. Wenn Sophie für einen Tag und eine Nacht im Kinderhotel ist, können die Eltern mit ihren Geschwistern etwas unternehmen oder einfach mal „durchschnaufen“. Das ist sonst im Alltag nicht möglich. Für die Eltern ist es wichtig, Sophie gut betreut zu wissen und mit dem Kinderhotel etwas gefunden zu haben, wo sie sich wohlfühlt und Spaß hat. In St. Isidor wird viel von dem angeboten, was Sophie gerne macht: malen, tanzen, schwimmen und ins Kino gehen. Wandern und Laufen findet Sophie sonst anstrengend, doch im Kinderhotel sind Ausflüge mit längeren Fußwegen in den Tierpark oder zum Urfahraner Markt kein Problem. Für Sophie ist die Zeit im Kinderhotel ein Schritt in die Selbstständigkeit – für die Eltern wie ein kleiner Urlaub.
Mit seinem Schicksal nicht alleine
Ähnlich geht es den Eltern von Jannik, die gerade im Kinderhotel angekommen sind. Jannik ist 14 Jahre alt. Im Alter von zehn Jahren hat er einen Unfall mit schweren Kopfverletzungen erlitten. Niemand wusste danach, wie es weitergeht. Ein halbes Jahr lag der früher quirlige und aufgeweckte Bub im Wachkoma, acht Monate war er auf Reha und hat kein Wort gesagt. Erst langsam machte er Fortschritte, er lernte wieder zu sprechen und zu essen. Nach einem Jahr konnte er wieder alle Laute artikulieren. Er könne sich an alles erinnern, er wirke wie gefangen in seinem Körper, erzählt seine Mama. Ein Körper, der nicht so funktioniere, wie er es gerne hätte – aber darüber spricht Jannik nicht. Jannik ist in der Pubertät angekommen. Wie alle Jugendlichen. „Auf seine Art rebelliert er“, sagt seine Mutter, er gibt ihr deutlich zu verstehen: „Ich will es so machen, wie ich es will!“ Im Kinderhotel einmal unter Freunden zu sein ist für Jannik genau das, was er jetzt braucht. Er ist mittendrin im Geschehen. Er spielt Karten, hört Musik, geht überall hin mit. Es tue ihm gut, mit Menschen zusammen zu sein, für die es normal ist, anders zu sein, beschreibt es seine Mama: „Er ist hier mit seinem Schicksal nicht alleine, er ist nicht der Einzige – und er darf Urlaub machen ohne Eltern, mit seinen Freunden.“ Seine Eltern sehen darin den doppelten Nutzen: für Jannik und für die Familie. Denn auch Janniks Geschwister Annika, seine Zwillingsschwester, und Svenja (17 J.) möchten ab und zu zu Hause die erste Geige spielen und die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Eltern haben. Die Eltern wiederum können dann Tätigkeiten im Haus oder Garten erledigen, die sonst nicht möglich sind.
Unterstützung für die Eltern
Anfänglich war es für die Eltern unvorstellbar, dass Jannik ohne sie eine Nacht im Kinderhotel verbringen kann. „Wie soll das funktionieren?“, war die Sorge der Eltern. Heute sind sie froh, dass sie den Schritt gewagt haben. So, wie es die Eltern beschreiben, ist das Kinderhotel auch geplant: als Entlastung für die Eltern, erklärt Sandra Zebrowsky. Sie leitet seit Jänner 2016 das Kinderhotel. An 17 Wochenenden im Jahr sind die Tore zum Check-in geöffnet, im Sommer gibt’s zusätzlich eine Ferienwoche im Kinderhotel. Für fünf Kinder gibt es meist vier Betreuer. Dreimal jährlich pro Kind und Familie ist eine Übernachtung im Kinderhotel möglich. Die Kinder sind zwischen vier und 16 Jahre alt. Sie entscheiden mit, wohin der nächste Ausflug geht: Tierpark, Hallenbad, Kino, Urfahraner Markt, Kuddelmuddel oder Lollypark. Oder doch lieber einen Spaziergang durch St. Isidor machen und eine Runde auf dem Spielplatz drehen?
Auf die Kinder einlassen, egal, was ist
„Für die Eltern ist es auch immer spannend zu hören und zu erleben, wie ihr Kind bei uns ist!“, erzählt Nathalie Kremnitzer. Sie ist 25 Jahre alt, Studentin und lebt in Wien. Sie arbeitet seit drei Jahren mit und kommt jeweils für ein Wochenende nach St. Isidor ins Kinderhotel. „Mir hat es sofort gefallen“, sagt sie. Sie schätzt das familiäre Klima und die Möglichkeit, in diesem Rahmen mit beeinträchtigten Kindern arbeiten zu können. Die Kinder und ihre Lebensgeschichten kennenzulernen und ihre Entwicklung mitzuerleben empfindet sie als Bereicherung. Epilepsie, Downsyndrom, Autismus, Entwicklungsverzögerung – wie geht sie damit um? Nathalie sagt dazu: „Die Beeinträchtigung steht dabei gar nicht im Vordergrund. Es geht darum, sich auf die Kinder einzulassen, egal, was ist.“ Besonders freut sie sich, wenn die jungen Hotelgäste zeigen, dass sie ihre Betreuerin kennen und sie schon viel miteinander erlebt haben, denn das nächste Wochenende steht vor der Türe. «
Dieser Text ist in der Beilage zum Caritas-St. Isidor Kalender 2017 erschienen. Der Kalender kann unter Tel. 0732/76 10-20 40 bestellt werden.