Jeder Mensch ist Gott ähnlich. Darum können auch Menschen nicht für sich allein, abgekapselt und beziehungslos existieren. Wir sind berufen uns zu öffnen: für das göttliche Geheimnis, unsere Nächsten und unser wahres Selbst.
Ausgabe: 2015/22, Sonntag, Evangelium, Lesung
26.05.2015 - Theresa Zingerle
Wort zum Sonntag
Frei (trotz) dank Bindung
„Frei will ich sein, unabhängig!“ Wer möchte das nicht? Die Frage ist, wovon. Es gibt Abhängigkeiten, denen wir nicht auskönnen: dass ich lebe, wann und wo; dass ich andere brauche: aus Beziehung geboren, nicht aus mir selbst, angewiesen auf Nähe, Nahrung, Schutz, ein soziales Netz … Der Mensch ist kein Einzelwesen. Doch wir sind trotz vieler Vorgaben keine Sklaven und keine Marionetten. Uns ist ein freier Wille gegeben und wir sind aufgefordert, unser Leben innerhalb der Vorgegebenheiten zu gestalten. Wer seinen Blick nicht ständig auf die Begrenzungen richtet, wird den Freiheitsraum dazwischen entdecken. Beziehung ist ja nicht nur Brauchen, sondern Geben und Nehmen. „Forsche nach!“, fordert Mose das Volk auf. Von Anfang an zeigt sich, dass Gott Beziehung sucht, weil er selbst in sich Beziehung ist. Gott ist kein totes, leeres Einerlei! Dem Wesen der Liebe entspricht es, sich zu verschenken und mitzuteilen. „Der Vater gibt sich uns selbst in absoluter Selbstmitteilung durch den Sohn im Heiligen Geist.“ (Karl Rahner SJ) In dieser Selbstmitteilung lässt sich Gott auf drei für uns Menschen unterschiedliche Gegebenheitsweisen erfahren: als das uns vergöttlichende Heil, das in der innersten Mitte des Daseins eines einzelnen Menschen angekommen ist – Heiliger Geist; als konkrete, geschichtliche, in Jesus Christus Mensch gewordene Selbstmitteilung – Logos, Sohn; als der Gott, der als Geist und Logos bei uns ankommt und dabei immer Urgrund, unsagbares Geheimnis und Fülle des Seins, der Liebe bleibt – Abba, Vater. (Rahner) Wir haben den Geist empfangen, der uns zu Kindern Gottes macht (Röm 8,15). Wir sind Gott ähnlich. Darum können auch wir nicht für uns allein, abgekapselt und beziehungslos existieren. Wir sind berufen uns zu öffnen: für das göttliche Geheimnis, unsere Nächsten und unser wahres Selbst.
Zum Weiterdenken
Um im Wind zu tanzen, braucht ein Drache eine reißfeste Schnur. Im Gedicht „Freiheit“ meint Andreas Knapp, Fabrikarbeiter, Priester und Poet, dass allein die lange Leine Gottes meiner Freiheit Halt gibt ohne dabei festzuhalten. (In „Brennender als Feuer“, Echter Verlag, S.16)
Dreifaltigkeitssonntag – Lesejahr B, 31. Mai 2015
1. Lesung
Deuteronomium 4,32–34.39–40 Forsche einmal in früheren Zeiten nach, die vor dir gewesen sind, seit dem Tag, als Gott den Menschen auf der Erde schuf; forsche nach vom einen Ende des Himmels bis zum anderen Ende: Hat sich je etwas so Großes ereignet wie dieses, und hat man je solche Worte gehört? Hat je ein Volk einen Gott mitten aus dem Feuer im Donner sprechen hören, wie du ihn gehört hast, und ist am Leben geblieben? Oder hat je ein Gott es ebenso versucht, zu einer Nation zu kommen und sie mitten aus einer anderen herauszuholen unter Prüfungen, unter Zeichen, Wundern und Krieg, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm und unter großen Schrecken, wie es der Herr, euer Gott, in Ägypten mit euch getan hat, vor deinen Augen? [...] Heute sollst du erkennen und dir zu Herzen nehmen: Gott ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst. Daher sollst du auf seine Gesetze und seine Gebote, auf die ich dich heute verpflichte, achten, damit es dir und später deinen Nachkommen gut geht und du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt für alle Zeit.
2. Lesung
Römer 8,14–17 Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden.
Evangelium
Matthäus 28,16–20 Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.