Nachdem das Haschisch-Verbot in mehreren US-Staaten gelockert worden ist, kommt auch in Österreich neuer Schwung in die Debatte. Wie gefährlich ist Cannabis wirklich? Und soll es gänzlich legalisiert werden? Ein Gespräch mit dem Experten Christoph Lagemann.
Ausgabe: 2014/51, Lagemann, pro mente, Cannabis, Drogen
16.12.2014 - Interview: Paul Stütz
Kann man Cannabis als eine Art Volksdroge bezeichnen? Christoph Lagemann: Ja, die Verbreitung ist schon relativ groß. Bei unseren Umfragen ist herausgekommen, dass 19,6 Prozent der über 15-Jährigen angeben, schon einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert zu haben. Die Zahl derer, die das öfter konsumieren, liegt aber unter zehn Prozent.
Ist Cannabis vor allem ein Jugendthema? Lagemann: Das kann man sagen. Die meisten Konsumenten findet man im Jugendalter. In bestimmten Kreisen ist das so etwas wie eine Freizeitdroge.
Wie leicht wird man durch Cannabis-Konsum süchtig? Lagemann: Die Zahl jener, die süchtig werden, ist eher gering. Bei intensivem Dauerkonsum kann das jedoch vorkommen. Depressive Verstimmungen, Gereiztheit und Schlaflosigkeit sind dann die Entzugserscheinungen.
Was macht leichter süchtig: Alkohol, Nikotin oder Cannabis? Lagemann: Wenn man die drei Substanzen vergleicht, ist Nikotin an erster Stelle, das erzeugt am schnellsten eine Abhängigkeit. Ähnlich schnell wie Heroin. Bei Alkohol und Cannabis hängt das sehr davon ab, wie viel und wie lange jemand konsumiert, und ist auch von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Die schwerste Form der Abhängigkeit wird durch Alkohol hervorgerufen.
Die Wege der Entkriminalisierung von Cannabis, die in den USA und manchen europäischen Staaten gegangen werden – wären diese auch für Österreich sinnvoll? Lagemann: Die Experten wissen, dass man mit Cannabispolitik die Zahl der Konsumenten nicht wirklich beeinflussen kann. Man kann mit der Politik jedoch die Schäden minimieren. Deshalb gehen viele Länder neue Wege. Nötig wäre hierzulande eine sachliche Debatte rund um die Frage, ob die aktuelle Cannabispolitik die gesteckten Ziele – falls es die gibt – erreicht.
Gänzlich legal werden soll Cannabis Ihrer Meinung nach aber auf jeden Fall nicht? Lagemann: Also gänzlich legal in dem Sinn, dass man Cannabis jetzt im Supermarkt kaufen kann und dafür geworben wird, sicher nicht. Das möchte kein einziger Experte.
Ist an dem Vorurteil, dass Haschisch dumm macht und durch den Konsum der Intelligenzquotient gerade im Jugendalter sinkt, etwas dran? Lagemann: Die Wissenschaft ist sich hier nicht einig. Eine neuseeländische Studie hat das behauptet, eine Studie aus Norwegen hat das widerlegt. Im Jugendalter, das viele Entwicklungsaufgaben mit sich bringt, sollte jedoch weitgehend auf Drogen verzichtet werden. Auf legale wie auf illegale.
Ist Cannabis eine Einstiegsdroge? Lagemann: Die Einstiegsdrogentheorie, nämlich die Annahme, dass man mit Cannabis „einsteigt“ und dann etwas „Härteres“ braucht, ist seit vielen Jahren widerlegt. Andererseits kaufen die Konsumenten Cannabis dort, wo auch andere Drogen verkauft werden, und kommen so in Kontakt mit dem illegalen Markt. Eine Tatsache, die viele Länder zum Umdenken in der Cannabispolitik bewegt hat.
Auch wenn Cannabis entkriminalisiert werden sollte, wird es in diesem Bereich Jugendschutz brauchen. Bis zu welchem Alter soll Cannabis auf jeden Fall verboten sein? Lagemann: Unter 18 Jahren sollen die Menschen auf alle rauscherzeugenden Substanzen möglichst verzichten. Im Jugendalter braucht man die Kräfte für die Entwicklungsaufgaben. Es wäre sinnvoll, das Einstiegsalter auch beim Rauchen oder beim Alkoholkonsum anzuheben. Aber da gibt es mächtige Wirtschaftszweige, die das verhindern.
Wird die Drogensucht eigentlich generell mehr? Lagemann: Nicht pauschal, es gibt gewisse Moden und Trends auch bei den Drogen. Heroin war zum Beispiel eine Droge der Siebziger-Jahre, die dann an Bedeutung verloren hat. Heute sind wir eher mit schnellen Drogen konfrontiert, wie zum Beispiel Crystal Meth.
Ist Crystal Meth in Oberösterreich im Zunehmen? Lagemann: Statistisch lässt sich das nicht belegen, aber Polizisten, Drogenberater oder Streetworker berichten schon von einer Zunahme in Oberösterreich.
In welchen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen liegt das begründet? Lagemann: Crystal Meth macht leistungsfähig, putscht auf, ist die passende Droge einer Leistungs- und Spaßgesellschaft.