Schule öffnet ihre Türen und Herzen für jugendliche Flüchtlinge
Das Petrinum hat sechs jugendliche Flüchtlinge in den sechsten Klassen als Gastschüler aufgenommen. Die Schule schließt gemeinsam mit weiteren katholischen Privatgymnasien eine große Lücke, die im (ober-)österreichischen Bildungssystem klafft.
Amir* hat einen Traum. Eines Tages möchte der 16-Jährige Arzt werden. Amir, der aus dem Iran geflohen ist und mit anderen Asylwerbern in einer Jugend-Wohngemeinschaft in Linz lebt, macht sich nicht unbegründet Hoffnungen. Seit Oktober darf der Teenager, dessen Lieblingsfach Mathematik ist, die Schule besuchen. Er ist einer von sechs unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die das katholische Privatgymnasium aufgenommen hat. Anfangs waren die Burschen nur einen Tag pro Woche da, doch schnell wurde klar, dass das zu wenig ist. Jetzt drücken sie von Montag bis Freitag die Schulbank. Jeweils zwei Flüchtlinge sind auf die drei sechsten Klassen aufgeteilt. Sie nehmen an den regulären Stunden teil, bekommen einen speziellen Deutsch-Förderunterricht. „Es ist toll zu sehen, wie motiviert die Burschen sind“, freut sich Beatrix Kumar, die den Flüchtlingsunterricht am Petrinum koordiniert.
Keine Extra-Ressourcen
Die Integration der Flüchtlinge soll am Petrinum eine Erfolgsgeschichte werden. Dafür engagieren sich einige Lehrer/innen des Petrinums im Prinzip ehrenamtlich. Denn zusätzliche finanzielle oder personelle Ressourcen für die Aufnahme von Flüchtlingen gibt es nicht.
Kein Recht auf Schule
Das liegt im österreichischen Bildungssystem begründet: Wer in Österreich zuwandert und mit 15 Jahren noch keinen Pflichtschulabschluss in der Tasche hat, darf nicht mehr in die Schule gehen. So legt der Landesschulrat Oberösterreich auf Anfrage der KirchenZeitung die rechtliche Lage besonders streng aus: „Flüchtlinge als außerordentliche Schüler sind verboten“, betont Karl Steinparz, Pressesprecher des Landesschulrates Oberösterreich. Es sind rechtliche Hürden, von denen sich das Petrinum offenbar nicht abschrecken ließ. „Wir nennen unsere Flüchtlinge Gastschüler, damit niemand was sagen kann“, erklärt Beatrix Kumar. Das Linzer Gymnasium war die erste Schule, die Mitte Oktober sechs unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus einer Caritas-Einrichtung in der Linzer Innenstadt aufgenommen hat. Die übrigen zwölf jungen Asylwerber fanden in der katholischen Privatschule Aloisianum und in der Kreuzschwesternschule in Linz sowie im Stiftsgymnasium Wilhering einen Platz.
Hilfe hautnah
„Wir haben am Petrinum immer wieder Solidaritätsprojekte, aber beim Thema Flüchtlinge ist das etwas ganz Hautnahes“, meint Beatrix Kumar, die Religion und Englisch unterrichtet. Naheliegend ist, dass Flucht ein Jahresschwerpunkt an dem Linzer Gymnasium ist. Kumar: „Die Schule hat nicht nur den Auftrag, Wissen zu vermitteln, sondern auch zur Herzensbildung beizutragen.“ Unter den Kolleg/innen und unter den Schüler/innen sei die Bereitschaft jedenfalls sehr groß zu helfen, erzählt sie. Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich für ihre neuen Klassenkollegen verantwortlich. Sie begleiten die jungen Flüchtlinge, wenn diese in der neuen Schule einen Klassenraum suchen. Oder sie engagieren sich bei einem gemeinsamen Ausflug in den Zoo oder ins Kino. Teilweise sind auch schon Freundschaften enstanden. Die Banknachbarn Amir und Paul haben sich zum Beispiel auf Anhieb gut verstanden: „Wir sind wie Brüder“, sind sich die beiden einig. Gibt es sprachliche Missverständnisse zückt Paul sein Smartphone, ruft ein Deutsch-Farsi-Wörterbuch auf, und schon ist das Problem gelöst. Paul ist begeistert, wie freundlich und aufgeschlossen die neuen Mitschüler sind. Und ihre Lehrererin Beatrix Kumar betont: „Wir Erwachsene können uns vom unkomplizierten Umgang der Jugendlichen untereinander einiges abschauen.“
Kommentar
Verhinderte Integration
Vorbildlich ist, was einige katholische Privatschulen in Oberösterreich derzeit machen. Sie nehmen Flüchtlinge auf, die über 15 Jahre alt sind, obwohl sie das eigentlich nicht müssten. Sie geben den Jugendlichen eine Chance auf Bildung, auf eine bessere Zukunft. So lobenswert dieses Engagement ist, so beschämend ist es für das österreichische Bildungssystem. Es sollte normal sein, dass auch über 15-jährige Jugendliche ein Recht auf Schulbesuch haben. Nicht nur um gut Deutsch lernen zu können, sondern auch um mit gleichaltrigen Jugendlichen aus Österreich in Kontakt zu kommen. Es braucht angesicht der zahlreichen Flüchtlinge dringend Lösungen. Stattdessen gibt es nach wie vor hohe Hürden für den Schulbesuch. Die Chance auf gelungene Integration wird vielen jungen Flüchtlingen so verbaut.
*Name von der Redaktion geändert