Schule ohne Lern- und Leistungsdruck? Keine Schulstunden, keine Noten, keine Aufgaben. Klingt wie geträumt, hat aber mit viel Eigeninitiative und Elternarbeit sogar im österreichischen Schulsystem Platz. In St. Georgen an der Gusen funktioniert es immerhin seit zehn Jahren.
Ausgabe: 2013/46, Freie Schule, St. Georgen, Schulsystem
13.11.2013 - Brigitta Hasch
Man sucht hier fast vergeblich nach Schulbänken und Sesseln. Wer es erkennt, sieht zunächst viel und unterschiedliches Montessori-Unterrichtsmaterial, daneben Bücher und Bastelutensilien. Eine Ecke ist fürs gemeinsame Kochen und Essen sehr familiär eingerichtet. Im nächsten Zimmer wird mit Bauklötzen gespielt, auch hier soll ein Angebot an Lernmaterial die Kinder neugierig auf Wissen machen. Im letzten Raum sieht es endlich nach „Schule“ aus. Jugendliche schreiben, rechnen, überlegen und stellen Fragen. Beantwortet werden sie, eine nach der anderen, von der Schulleiterin Carina Stärk.
Elternarbeit wird groß geschrieben
„Wir wollen unsere Kinder nicht abgeben. Es ist uns ganz wichtig, dass sie jeden Tag frei entscheiden, was sie lernen möchten und wie sie es lernen möchten“, erklärt Elisabeth Hangler. Ihre drei Töchter besuchen die Freie Schule St. Georgen, sie selbst ist eine der sehr engagierten Mütter. Wie überhaupt alle Eltern von diesem Schulprojekt sehr gefordert sind, ohne ihr Engagement würde es auch nicht funktionieren. Man trifft sich monatlich, diskutiert und plant Veranstaltungen, um zusätzlich Geld für den Schulbetrieb aufzutreiben. Freie Schule bedeutet also viel Idealismus, Zeit und hat auch eine finanzielle Komponente, denn ohne Schulgeld geht es nicht.
Freie Zeiteinteilung
„Wir haben hier keinen Stundenplan, keine Klassen und keine Schulstunden“, erzählt Johanna. Also gilt für die Jüngeren, genauer gesagt die bis Zehnjährigen: Sucht euch aus dem reichhaltigen Angebot aus, was ihr heute tun wollt – Perlenketten zum Erlernen des Einmaleins, Länderpuzzles, Buchstaben- und Wortkarten. Wer von 9 bis 10 Uhr Englisch lernen oder ab 11 Uhr turnen will, kann sich in einer Liste eintragen, das ist dann verbindlich. Und wer heute nicht lernen mag, kann spielen. Für diese Kinder gilt allerdings eine wichtige Regel: „Arbeitende haben Vorrang.“ Sie dürfen also nicht gestört werden. Diese und einige andere Regeln haben die Kinder selbst im Schülerparlament aufgestellt, wer dagegen verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen. Dabei soll zum einen die Rücksichtnahme aufeinander, zum anderen ein Bereinigen der Konflikte untereinander erlernt werden. Lernziele sind aber auch in der Freien Schule zu erfüllen. Die Schulzeit endet nach neun Jahren mit der Bestätigung, dass die Schulpflicht erfüllt wurde. Noten gibt es nur bei Bedarf, etwa für eine mögliche Lehrstelle.
Kein Notnagel
Zurzeit besuchen elf Pflichtschüler/innen die Freie Schule in St. Georgen. „20 wären ideal“, weiß Elisabeth Hangler. Sie warnt aber davor, diese Schule als Notlösung anzupeilen, wenn es in der Volksschule nicht läuft. Man versuche allerdings, die Schule in Spielgruppen bekannter zu machen. Zum Kennenlernen gibt es einmal monatlich die „Schule für Erwachsene“, Details dazu und weitere Informationen findet man im Internet auf
http://www.freie-schule.at