Christine Grüll träumt in ihrem Unter Uns von einer weißen Schürze.
Ausgabe: 2017/38
20.09.2017 - Christine Grüll
Ich bin eine Schürzenjägerin. Im wahrsten Sinne des Wortes: Schon länger bin ich auf der Suche nach einer Schürze, die meiner Kochkunst gewachsen ist. Die zwei Schürzen, die ich besitze – eine gestreifte und eine mit einem Elch auf dem Latz – tragen mittlerweile sehr deutliche Spuren meiner Kämpfe, die ich mit Rezepten und Zutaten austrage. Manchmal gewinne ich. Manchmal das Rezept. Die Schürzen, denen ich bisher begegnet bin, sind mir zu bunt. Ich träume von einer weißen. Nun habe ich ein altes Leintuch im Kasten entdeckt. In einer Mußestunde habe ich es zugeschnitten. Das war schon sehr meditativ. Mit der Nähmaschine habe ich Nähte darauf verteilt. Meine Nähkunst ähnelt meiner Kochkunst. Aber gerade Stiche und solche im Zickzack bekomme ich hin. Gut, die Naht hat Umwege genommen, dann wieder eine Abkürzung. Aber dazwischen ist sie der idealen Linie ziemlich nahe gekommen. Wie im Leben, habe ich mir gedacht. Und wie im Leben war der Weg streckenweise mit Schmerzen verbunden. Nadeln stechen, und die weiße Schürze hat nun ein paar rote Punkte. Soll ich sie tatsächlich umhängen? Ich überlege noch. Der Traum von der weißen Schürze wär’ dann ganz schnell vorbei.