Junge Lesende ernst nehmen, das will die Autorin Sarah Michaela Orlovský. Ihre Kinder- und Jugendbücher begeistern auch Erwachsene und wurden mehrfach ausgezeichnet. Ein Gespräch über schöne Wörter, Kinderfrust und das Eigenleben der Figuren.
Ausgabe: 2015/28, Orlovský, Kinderbuch
31.03.2015 - Christine Grüll
Kinderbücher vermitteln oft die heile Welt. In „Valentin, der Urlaubsheld“ erlebt Valentin nicht den Urlaub, den er sich vorgestellt hat. Warum? Sarah Orlovsk´y: Die Idee zum Buch hatte ich auf einer griechischen Insel. Unser Hotel war kinderleer, nur ein Pensionistenpaar mit einem Buben ist ewig beim Frühstück gesessen. Da habe ich überlegt, was er den ganzen Tag tut. Man ist ein kleiner Mensch, hat viele Ideen, kann schon so viel und ist doch immer wieder zurückgeworfen auf die Erwachsenen. Die dürfen bestimmen. Da ist oft viel Frustration dabei. Es ist für junge Lesende gut, eine Geschichte zu haben, in der jemand das Gleiche erlebt, dass sie spüren, es ist normal, dass ich so fühle. Und sich fragen können: Wie hat der in der Geschichte das gelöst?
Leben Ihre Figuren mit Ihnen mit? Die Figuren begleiten mich sehr lang, man denkt sie im Kopf ständig weiter und ich bekomme richtig Kopfweh davon, besonders seit ich Mutter bin und nicht die Zeit habe, die Sätze aufzuschreiben. Wenn ich anfange, einen Jugendroman zu schreiben, ändert sich oft der Tonfall einer Figur von selbst und ich denke mir: „Dass du so ruppig bist, das habe ich nicht gewusst.“
Wie soll die Sprache in einem Kinderbuch sein? Es ist eine reduzierte Sprache. Ein Autor hat einmal gesagt, wenn er einen Text schreibt, streicht er alle Wörter weg, die nicht absolut notwendig sind. Das kommt mir radikal vor, denn es gibt so viele Wörter, die nicht notwendig sind, aber schön. Ich suche nach schönen Wörtern, die lesbar sind. In einem Kinderroman, an dem ich aktuell schreibe, steht zum Beispiel „mucksmäuschenstill“, für einen Erstleser ein unmögliches Wort. Ich habe „mucks mäus chen still“ verschieden groß geschrieben, dann kann man das Wort mit Mehrwert lesen und ich muss nicht „still“ schreiben. Es ist kein Kompromiss, es ist ein anderer Zugang.
Ihre Bücher sind ausgezeichnet worden ... Preise sind Muntermacher für Erwachsene, damit sie die Augen aufmachen und die Literatur dahinter sehen. Kinder- und Jugendliteratur ist schwierig. Über Literatur reden muss man lernen, und Jugendliche haben andere Interessen. Bei Kindern bin ich überzeugt, Literatur muss nicht nur gut geschrieben, sondern vor allem gut präsentiert werden. Deshalb mache ich Leseperformances. Ich möchte mir nicht anmaßen, dass ich mich in Kinder reinversetzen kann. Und doch sind es immer Erwachsene, die für Kinder schreiben. Könnten Kinder Literatur, die ihnen gefällt, auch selbst schreiben? Das beschäftigt mich.
Lesung am Dienstag, 16. Juni 2015, 15 Uhr, Buchhandlung Veritas, Harrachstr. 5, Linz.
Kontakt Autorin: orlosa.wordpress.com
Valentin und andere Bücher
Valentin fährt mit seinen Eltern in den ersehnten Urlaub. Der ist sterbenslangweilig – bis Valentin Áris kennenlernt. Nach einer schweren Enttäuschung erkennt Valentin, dass ihre Freundschaft über den Urlaub hinaus bestehen wird. Die Illustrationen von Michael Rohrer verleihen der spannenden und berührenden Geschichte eine weitere Ebene. Das Buch wurde mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2015 ausgezeichnet, der Jugendroman „Tomaten mögen keinen Regen“ mit dem Evangelischen Buchpreis 2014. Soeben erschienen: „Geschichten von Jana“ (ab 6).