In Europa steht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für eine Islamisierung. Die Christen der Türkei schätzen dagegen die neuen Freiheiten, die er ihnen gewährt. Der erste Tag seiner Türkeireise von 28. bis 30. November 2014 führt Papst Franziskus nach Ankara zum Präsidenten mit den „doppelten Botschaften“.
Ausgabe: 2014/48, Türkenreise, Papst Franziskus, Ankara, Redep Tayyip
25.11.2014 - Josef Wallner
Der Anlass für Papst Franziskus, die Türkei zu besuchen, ist die Einladung des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., das Andreas-Fest in Istanbul mitzufeiern und damit ein weltweit sichtbares Zeichen des Bemühens um die Einheit der Kirchen zu setzen. Doch für den Papst wird jede Auslandsreise auch zum Staatsbesuch. So trifft er am ersten Tag mit dem Präsidenten der türkischen Republik Recep Tayyip Erdogan zusammen. Diese Begegnung bietet dem Papst erstmals die Möglichkeit, in einem Land mit islamischer Bevölkerungsmehrheit (99% Muslime) seine Vision von muslimisch-christlichen Beziehungen darzulegen, in der die Christen nicht als Bürger zweiter Klasse leben müssen. Die Kirchenführer der Türkei betonen, dass mit Erdogan als Ministerpräsident und seit Kurzem als Präsident sich das Verhältnis der Kirchen zum Staat spürbar zum Besseren gewendet hat. Erzbischof Aram Atesyan erläutert das an Beispielen vor einer Gruppe österreichischer Journalisten, die ihn in seinem Amtssitz getroffen haben. Er steht der armenischen Kirche in der Türkei vor. Die Armenier haben einen Teil ihrer Besitzungen wieder zurückbekommen, die mit der Gründung der Republik Türkei in den 1920er Jahren enteignet wurden. Bislang zwar nur zehn Prozent, doch die Richtung stimmt, so der Erzbischof. Gleichzeitig wurde aber, wie unter der Hand zu erfahren war, bei der Rückgabe Bauland in Grünland umgewidmet, was man als Schikane deuten muss. Andererseits konnten die Armenier nur deswegen eine Schule eröffnen, weil sie von der Regierung finanziell unterstützt werden. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. macht ähnliche Erfahrungen: Er wird von der Regierung zu ihrem Ansprechpartner in Kirchenfragen aufgewertet, aber seine Priesterausbildungsstätte auf der Insel Chalki, die eine Militärregierung 1971 gesperrt hatte und die er dringend braucht, darf er nicht eröffnen. Es sind diese entgegengesetzten Botschaften, die Beobachter von außen ratlos zurücklassen. Aber die einheimischen Kirchenoberhäupter betonen, dass eben die Richtung stimmt: „Vieles bewegt sich hin zum Positiven, wenn auch noch lange nicht alles gelöst ist.“