Wie kann die katholische Kirche positive Impulse für die Gesellschaft liefern? Darüber diskutierten Vertreter aus Kunst und Kirche im Rahmen des Kirchenfestivals beim Linzer Ars ELectronic Center.
Ausgabe: 2015/23, Kirchenfestival, Linz-Urfahr
02.06.2015 - Paul Stütz
Die Pfarren und Einrichtungen in Linz-Urfahr gingen beim Kirchenfestival gezielt in den öffentlichen Raum. Auf dem Maindeck des Ars Electronica Centers (AEC), das Museum der Zukunft, ging eine Podiumsdiskussion der Frage nach: „Was hat das ,Heute‘ der Kirche zu sagen?“ Kirchentraditionen müssten verändert, Experimente gewagt werden, meinte Franz Gruber, Rektor der Katholisch-Theologischen Universität Linz. Er warnte davor, „Dogmen zu reiten, bis das Pferd tot ist“. Diesen Ruf nach Kreativität und Innovation in der Kirche griff Andrea Bina, Leiterin des Nordico-Museums in Linz, gerne auf: „Wie sollen die armen Pfarrer kreativ sein, wenn sie zwei, drei oder vier Gemeinden leiten müssen? Frauen sollten zum Priesteramt zugelassen werden“, sagte sie und erntete am Podium keinen Widerspruch. „Ich hoffe, dass das alles einmal Geschichte ist“, meinte Rektor Franz Gruber etwa zum Thema Pflichtzölibat in der katholischen Kirche.
Kirche und Politik
Einen Schwenk zum Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft machte der Linzer Komponist Peter Androsch: „Kirche kann sich nicht neutral verhalten“, betonte er: „Kirche ist berufen, das Wort zu ergreifen.“ Zentral sei hier die Verteilungsfrage. „Wer hat die Möglichkeit, wer hat eine Stimme? Das ist das A und O der gesellschaftlichen Auseinandersetzung.“ Weiters brachte Androsch den „politisch verbrecherischen“ Umgang mit Flüchtlingen in Österreich zur Sprache. Gerade die katholische Kirche sei von dieser Frage der Menschenwürde betroffen. Gabriele Eder-Cakl, Leiterin des Hauses der Frau in Linz, strich in diesem Zusammenhang das große Engagement der Caritas für Asylwerber heraus. Als Beispiel nannte sie die Protestinitiative gegen das Massensterben von Flüchtlingen im Mittelmeer.
Die Macht der Kirche
Ob die katholische Kirche überhaupt noch die Kraft habe, die Gesellschaft zu gestalten, fragte Moderator Helmut Eder die Diskutanten. „Die Frage ist fast ironisch“, meinte Peter Androsch: „Natürlich ist die katholische Kirche mit fünf Millionen Mitgliedern mächtig.“ Für Rektor Franz Gruber geht es bei der Machtfrage darum, dass Christ/innen als qualifizierte Minderheit auf die Gesellschaft einwirken: „20 oder 30 Prozent der Bevölkerung können einen Impuls geben.“ Gefragt seien dabei Koalitionen zwischen Christen und anderen gesellschaftlichen Kräften, denn Lagerbildung, wie es sie früher gab, sollte auf jeden Fall vermieden werden.
ZUR SACHE
Kirchenfestival in Linz-Urfahr
Insgesamt 3000 Personen schlossen an die Lange Nacht der Kirchen noch ein Kirchenfestival an. Die acht Pfarren und kirchlichen Einrichtungen des Dekanates Linz-Nord luden am 30. und 31. Mai zum Kirchenfest auf den AEC-Platz, um eine einladende, offene und lebensbejahende Seite von Kirche zu präsentieren. Nicht nur beim abendlichen Konzert war die Stimmung überwältigend. Unter dem Motto „Mid Leib und Sö“ rockten am Samstag über 2000 Fans zu den Songs von Folkshilfe, HMBC und Gabriel’s Bottle. Am Sonntag feierten sämtliche Pfarren des Dekanats beim Festgottesdienst mit. Pater Dominik Nimmervoll nahm bei der Predigt Gottes Dreifaltigkeit im Sinne des Festivalmottos unter die Lupe. „Wenn Gott ein Oberbuchhalter oder ein einsamer kalter Geist wäre, könnten wir darauf verzichten“, formulierte Nimmervoll deutlich: „Gott ist in uns in dreifacher Weise als Liebe gegenwärtig. Religion ist kein Einhalten von Gesetzen, sondern eine Beziehung der Liebe.“