Andrea Kromoser ermuntert in ihren Workshops Eltern und Großeltern zum Vorlesen und gemeinsamen Lesen mit den Kindern. Oft weckt sie dabei längst vergangene Kindheitserinnerungen.
Der Bub sitzt gespannt auf dem Schoß des Großvaters. Dieser verstellt beim Lesen seine Stimme und macht lange Pausen, um die Dramatik zu erhöhen. – Später wird sich das Kind wahrscheinlich nicht nur an die Geschichte, sondern auch an diese Situation erinnern. Denn mit dem Lesen und besonders dem Vorlesen ist immer ein Stück Emotion verbunden.
Lesen ist Familiensache
Eltern sind die ersten Vorbilder für Kinder. Das ist auch beim Lesen so. Greifen die Eltern zu Büchern, werden dies auch die Kinder tun. „Wichtig ist, dass man den Kindern die Möglichkeit dazu gibt“, sagt Andrea Kromoser: „Kinderbücher gehören dorthin, wo sie Kinder selbstständig erreichen können. Und wenn sie von den Erwachsenen sehen, wie man Bücher aufschlägt und darin blättert, werden auch sie sorgsam mit ihnen umgehen.“ In ihren Workshops mit Eltern erlebt die Expertin immer wieder Unsicherheiten, wenn es ums Vorlesen geht. Manche können oder wollen die Stimme nicht verstellen, oder sie scheuen sich, Gefühle zu zeigen. Aber: „Beim Vorlesen kann man nichts falsch machen“, beruhigt sie.
Kinder können Bilder lesen
Schon mit einfachen Bilderbüchern lernen Kinder, wie eine Geschichte funktioniert. „Dazu muss ein Kind noch nicht selber lesen können. Allein das genaue Hinsehen und Hinhören genügt.“ Für Andrea Kromoser ist klar, dass Leseförderung Aufgabe der Familie ist. „Die Basis muss hier gelegt werden, und zwar möglichst früh. Pädagogen können das nicht leisten, sie können aber darauf aufbauen“, erklärt sie.
Leserituale
Die „Gute-Nacht-Geschichte“ ist eine beliebte Gelegenheit zum Vorlesen. Aber prinzipiell kann man jede Tageszeit zur „Lesezeit“ machen. Ganz besonders geeignet sind auch die Ferien. „Gehen Sie mit der Familie in einen Buchladen. Jeder soll sich für den Urlaub ein Buch aussuchen. In der freien Zeit kann man dann die Bücher austauschen und gemeinsam darüber reden“, schlägt Andrea Kromoser vor.
Bücher als Gesprächsanlass
Um mit heiklen Themen zu den Eltern zu kommen, nutzen Kinder und Jugendliche gerne Figuren aus Büchern. „Wenn sie mit den Eltern darüber diskutieren, ob sich der Romanheld richtig oder falsch verhalten hat, kann sich dahinter ein ganz anderes, eigenes Problem verbergen. Jeder, der über ein Buch redet, redet auch ein bisschen über sich selbst“, ist die Niederösterreicherin überzeugt.
Buchtipps
Das „richtige“ Buch gibt es nicht. Doch von der Illustration erwartet Kromoser „eine gewisse Ästhetik“. Typische Männer-Frauen-Rollenklischees haben in Kinderbüchern nichts verloren, ebenso wie Diskriminierung von Rassen oder Religionen. „Der wichtigste Punkt ist aber: Das Buch muss Spaß machen. Lassen Sie Ihr Kind in der Bücherei selbst aussuchen. Als Alternative können Sie ja ein zweites Buch nach Ihrem Geschmack mitnehmen.“
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