Am 14. Dezember wollen in mehreren Bundesländern die niedergelassenen Ärzte streiken. Ihre Kammervertretungen fürchten, von der Politik aus der Mitgestaltung in der Gesundheitsversorgung gedrängt zu werden. Oberösterreichs Ärzte streiken nicht, sie wollen informieren. Hier die Hintergründe.
„Das ist der richtige Weg für die Zukunft“, ist Bürgermeister Dominik Reisinger überzeugt. Haslach bekommt im kommenden Jahr ein medizinisches Erstversorgungszentrum. Kein Arzt war bereit, sich für die Marktgemeinde an der Mühl zu bewerben. Mit dem geplanten Zentrum ist Wind in die Sache gekommen. Zwei niedergelassene Ärzte sind fix. Für die anderen Stellen, von Krankenpfleger/innen bis hin zu Physiotherapeut/innen, „rennen sie uns die Türen ein“, sagt der Bürgermeister. Die ärztliche Versorgung soll für Patient/innen einfacher werden, alles wird unter einem Dach angesiedelt sein – bei längeren Öffnungszeiten als bisher. Die Gemeinde wird Trägerin sein.
Vorrang für Versorgungszentren
Nach Vorstellung des Gesetzgebers sollen solche Primärversorgungszentren die Zukunft der medizinischen Versorgung sein. In Enns ist bereits seit dem Frühjahr 2016 ein Primärversorgungszentrum (PVZ) im Aufbau. Die Konzepte dafür wurden im Dreiklang von Gebietskrankenkasse, Ärztekammer und der politischen Seite, nämlich Land und Gemeinden, entwickelt. Doch in den letzten Wochen mischten sich Misstöne in den Dreiklang. Die Ärztekammer fürchtet, aus der Gestaltung der Gesundheitsversorgung im niedergelassenen Bereich ausgeschaltet zu werden. Der vorliegende, vom Ministerrat bereits abgesegnete Gesetzesentwurf räumt den größeren sogenannten Erstversorgungszentren Vorrang ein. Vor allem aber: Der Ärztekammer wird in den Gestaltungsfragen der niedergelassenen Medizin nur mehr ein „qualifiziertes Anhörungsrecht“ eingeräumt. Entscheiden sollen die Gebietskrankenkassen und die Politik.
Für die Bedenken der Ärztekammer hat der Obmann der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (OÖGKK) Albert Maringer Verständnis. Auch er will den „Dreiklang“ in der medizinischen Versorgung gewahrt wissen. Er glaubt, dass bis zur endgültigen Beschlussfassung des Gesetzes noch Verhandlungsspielraum ist.
Verdrängung des Hausarztes?
So vielversprechend Modelle wie in Haslach und Enns auch sind, für abgelegenere Gemeinden würde die Versorgung noch schwieriger werden, fürchtet Ärztekammer-Chef Peter Niedermoser. Der klassische Haus- und Vertrauensarzt würde allmählich verschwinden, weil das Gesetz den zentralen Standorten Vorrang einräumt. Niedermoser fürchtet, nicht medizinischen Trägern könnte als Betreiber für Versorgungszentren und medizinische Laboratorien Tür und Tor geöffnet werden. Bauunternehmen etwa und andere Finanzinvestoren würden dann mit ihren Interessen am „Gesundheitsmarkt“ mitmischen – und die eigentlichen medizinischen Aspekte in den Hintergrund drängen. Dass Gewinnmaximierung auf Kosten der Versicherten in der Medizin Einzug hält, das würde auch OÖGKK-Obmann Maringer bedenklich finden.
Vorteile und Folgeprobleme
Maringer verweist auf die Vorteile, die die Versorgungszentren bringen sollten: familienfreundlichere Arbeitszeiten für Ärzte und Ärztinnen zum Beispiel, leichtere Vertretung. Vorteile von Erstversorgungzentren bestreitet auch Niedermoser nicht. „Wir wollen an der Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit mitarbeiten“, betont er, „aber auf Augenhöhe.“ Bloß angehört zu werden, wäre zu wenig. Dr. Sarah Sonne-Schneiderbauer ist Ärztin am gerade entstehenden Erstversorgungszentrum in Enns. Vieles, was sie bisher selbst tun musste, von Verwaltungsaufgaben bis zum Blutabnehmen, übernehmen andere. „Ich hab mehr Zeit für das Ärztin-Sein“, sagt sie. Träger dieses Zentrums ist die Ärzteschaft selbst.
Ärztemangel
Die Gesundheitsreform will außerdem die Spitäler entlasten, indem Leistungen in den niedergelassenen Bereich verlagert werden. Bund und Länder haben erst im November eine Kostendeckelung beschlossen. Die Gesundheitskosten dürfen jährlich nur um höchstens 3,2 Prozent steigen. Es wird also nicht so viele Zentren geben können, abgesehen davon, dass man auch das Personal erst haben muss. Bis 2020 wird jeder dritte Allgemeinmediziner älter als 65 Jahre sein. Die Nahversorgung könnte abseits der Zentren bald in die Ferne rücken. Es gäbe also Gesprächsstoff unter allen Beteiligten. «