„Mein Mann hat einen Seitensprung gemacht und das kann ich ihm nicht verzeihen. Schließlich sind wir 30 Jahre miteinander verheiratet, es geht uns gut und er hatte doch keinen Grund, fremdzugehen.“
Ausgabe: 2017/48
28.11.2017 - Albert A. Feldkircher
Mit dieser Aussage kommt Andrea, 50, zu mir in die Beratung. Sie ist tief gekränkt und hat Angst vor einem Beziehungsbruch, vor dem Verlassenwerden. Ereignisse dieser Art sind wie Erdbeben in einer Liebesbeziehung. Sie erschüttern, machen Angst. Sie lösen eine Kettenreaktion von Gefühlen wie Ohnmacht, Wut, Verachtung, Enttäuschung, Traurigkeit und Trotz bis hin zu innerem und äußerem Beziehungsabbruch aus. Es gibt aber auch eine Vielzahl anderer, oft sehr subtiler Kränkungen im Alltag. Hinter den meisten liegt keine Absicht, den Partner zu verletzen, sondern vielmehr mangelndes Einfühlungsvermögen, Gedankenlosigkeit oder schlicht Egoismus. Auf jeden Fall gilt: Diejenigen Menschen, die wir lieben, kränken wir am meisten. Weil die Gefühle am stärksten verletzt werden und unsere Selbstachtung leidet. „Verzeihen ist der stärkste Liebesbeweis, den ein Mensch erbringen kann.“
Wie ist verzeihen möglich?
Für den Gekränkten ist es wichtig, vom anderen ein Schuldeingeständnis und Reue zu erfahren. Geschehenes kann nicht zurückgenommen werden – aber um Verzeihung bitten und Wiedergutmachung anbieten ist möglich: kein finanzieller Aderlass, sondern etwas, was dem Kränkenden ein Bemühen kostet und damit dem Gekränkten zeigt: Ich werde ernst genommen, der andere möchte die – gestörte – Beziehung wiederherstellen, ich bin die Bemühung wert.
Strafe für wen?
„Das kann ich ihm nicht verzeihen“ ist eine Art Bestrafung, die den/die andere/n treffen soll. Wenn wir genau hinschauen, trifft uns die Bestrafung selbst. Wir beschäftigen uns in Gedanken damit, dem anderen Schuld zuzuweisen, ihm sein Verhalten nachzutragen. Jeder dieser Gedanken wirkt auf unsere Gefühle und unseren Körper, bringt uns aus unserem inneren Gleichgewicht und kann uns krank machen.
Die Liebe verzeiht
Letztlich ist es nur die Liebe, die heilen kann. Sie überwindet Krisen und Kränkungen und lässt uns sogar gestärkt aus solchen herausfinden. Die Bibel zeigt uns im Korinther-Brief den Weg dazu: „... die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“ Dennoch: Sich selbst verzeihen können und dem anderen sein Verschulden zu verzeihen bleibt wohl eine große Herausforderung für uns Menschen.
Bei Fragen und Problemen wenden Sie sich an: Beziehung Leben, Partner-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz, Tel. 0732/77 36 76.