Nach 25 Jahren soll es ab kommendem Schuljahr einen neuen Grundsatzerlass zur Sexualerziehung geben. Doch Einrichtungen in der Kirche kritisieren den Entwurf aus dem Bildungsministerium.
Ausgabe: 2015/22, Sexualkunde, Sexualerziehung
27.05.2015 - Heinz Niederleitner
Der Katholische Familienverband, das Institut für Ehe und Familie oder der Katholische Laienrat haben ähnliche Hauptkritikpunkte: Verantwortung und Rechte der Eltern insbesondere bei der Aufklärung würden im Entwurf zu wenig beachtet; es werde von Werten gesprochen, nicht aber erklärt, was gemeint sei; und Formulierungen wie „Körperkompetenz“ seien zu ungenau. Der Entwurf müsse daher überarbeitet werden.
Altersgerecht gestalten
Laut dem Bildungsministerium ist es Ziel des Entwurfs, Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, wie man verantwortungsvoll mit sich und anderen umgehen kann. Sexualerziehung sei altersgerecht zu gestalten und müsse sich an der Lebensrealität von Kindern und jungen Menschen orientieren. Unter anderem dürfe man nicht die Augen davor verschließen, dass Kinder heute eine andere Medienkompetenz brauchen, da Internet und Handy ungefilterten Zugang zu sexuellen Inhalten mit sich bringen. Wie der Erlass letztlich aussehen wird, werde im Juni erarbeitet. Man habe bewusst um Stellungnahmen gebeten, obwohl das gar nicht vorgesehen sei, heißt es aus dem Bildungsministerium.
Eltern als erste Ansprechpartner
In der gesellschaftspolitischen Debatte kommen Experten zur Sexualerziehung etwas zu kurz. Auf die Themen angesprochen sagt etwa die Erziehungswissenschaftlerin Gunda Jungwirth von der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz: „Für mich sollten Eltern erste Ansprechpartner beim Thema Sexualerziehung sein. Das ist aber eine Idealvorstellung. Wir können aus meiner Erfahrung nicht davon ausgehen, dass alle Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen. Altersgerechte Sexualpädagogik ist ein Auftrag an eine pädagogische Einrichtung, egal ob Schule oder Kindergarten.“ Sie selbst habe als Lehrerin die Eltern informiert, bevor das Thema in der Schule startete. Es sei eine Tatsache, dass heute in großem Ausmaß schon Kinder Pornografie gesehen haben. Man müsse reagieren können, wenn sie mit Fragen zu den Lehrern kommen. Einzel-Befürchtungen, dass durch den Erlass Kinder solchen Inhalten ausgesetzt sein könnten, teilt Jungwirth nicht. Auch das Bildungsministerium weist das zurück.
Über Gefühle sprechen
Zur Kritik, es bleibe im Entwurf unausgesprochen, welche Werte den Kindern vermittelt werden, sagt Jungwirth, dass es in einer pluralistischen Zeit für eine staatliche Schule schwierig sei, Werte festzuschreiben. Andererseits seien Pädagogen ohnehin zu Werten wie Toleranz und Wertschätzung verpflichtet. „Wir müssen Kinder hinführen, selbst Werturteile bilden zu können.“ Zu dem Einwand, dass Begriffe wie Körperkompetenz unscharf seien, sagt Jungwirth, „Sexualität“ werde zu schnell mit genitaler Sexualität gleichgesetzt. „Die Sexualerziehung ist ein viel größeres Feld. Es geht auch darum, über Gefühle sprechen und Dinge benennen zu können. Das ist zur Aufdeckung und Vermeidung von Missbrauch wichtig.“ Gunda Jungwirth wünscht auch mehr Platz für das Thema in der Lehrerausbildung.