„Es ist besser, die Argumente werden auf den Tisch gelegt“
Über seine Erwartungen an die beiden Synodensitzungen zur Familie spricht Kardinal Christoph Schönborn im Interview.
Ausgabe: 2014/40, Schönborn, Interview
01.10.2014 - Interview: Heinz Niederleitner
Sie haben jüngst gesagt, unter Papst Franziskus werden Zeichen und Wunder geschehen. Welches Zeichen erwarten Sie von den beiden Synodensitzungen zur Familie? Schönborn: Ich erwarte mir, dass wir mit Papst Franziskus lernen, aufmerksamer, evangeliumsgemäßer und liebevoller auf die Situationen hinzuschauen, in denen Menschen konkret leben. Wie sich die Sitzungen entwickeln werden, liegt in der Freiheit der Teilnehmer. Papst Franziskus hat uns gesagt, wir müssen die Menschen begleiten. Das bedeutet für mich, wertschätzend auch mit einer nur teilweisen Verwirklichung des Gutes der Ehe umzugehen. Aber erwarten Sie bitte nicht, dass der Papst die Lehre der Kirche über die Ehe ändert!
Es erscheint diese Woche ein Buch, in dem sich fünf Kardinäle klar gegen die Sakramentenspendung an wiederverheiratete Geschiedene aussprechen. Daneben wirbt auch Kardinal Kasper für seine gegenläufige Position. Ist es geschickt, wenn sich die Positionen so verfestigen? Grundsätzlich ist es gut, wenn über Positionen diskutiert wird. Ich finde es besser, die Argumente werden auf den Tisch gelegt als dass man irgendwelche Aktionen „hintenherum“ macht. Auch bin ich mir nicht sicher, ob es den Gegensatz der Positionen so gibt. In der Thematik Ehe, Scheidung und Wiederverheiratete gibt es viele Aspekte. Ein Aspekt wird von den Autoren des angesprochenen Buches zu Recht in Erinnerung gerufen: die kirchliche Lehre. Ich vermute aber, dass alle Debattenbeiträger wissen, dass es nicht nur einen Aspekt gibt. So war das ja auch auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Da hat man Eckpunkte betont, aber dann auch andere Blickpunkte ins Spiel gebracht. Ich denke, das wird auch auf der Synode geschehen.
Sie sagen, die Schwächsten bei Trennungen und Scheidungen (Kinder und übrig bleibende Partner) werden in der Diskussion übersehen. Werden Sie sich dazu auf der Synode zu Wort melden? Das habe ich schon oft getan. Es ist auch in das Arbeitspapier der Synode ein wenig eingeflossen und ich werde mit aller Energie auch auf der Synode Mitstreiter zu gewinnen suchen, damit diese Aspekte deutlicher in den Blick genommen werden.
Sind Sie enttäuscht, dass vor allem das Thema wiederverheiratete Geschiedene so stark im Vordergrund steht und die beiden Synoden irgendwie daran gemessen werden? Ich hoffe schon, dass es gelingt, auch auf die vielen positiven Aspekte beim Thema Ehe und Familie hinzuweisen. Es scheitert ja weiß Gott nicht jede Ehe. Ich denke auch an das Thema Generationenvertrag in der Familie, das Thema Kleinfamilie/Großfamilie, das Thema Tugenden des Zusammenlebens. Was mir zum Beispiel auffällt: In der ganzen Debatte, was von der Schule erwartet wird, redet kein Mensch über die Familie. Dabei ist sie die Schlüsselfrage. Wie soll ein Kind in ein paar Stunden an der Schule eine Lesekultur lernen, wenn zu Hause nur ferngesehen wird? Die Schule kann die Familie nicht ersetzen.