Die Mindestsicherung zu kürzen oder eine Notverordnung in Kraft zu setzen, das sind Tabubrüche, sagt Sozialminister Alois Stöger. Beim Sozialstammtisch im Cardijn-Haus in Linz sprach er über den Sozialstaat und was dieser dringend braucht.
Zwei politische Entscheidungen machen Minister Alois Stöger nervös. In Oberösterreich wurde die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte beschlossen und auf Bundesebene die sogenannte Notverordnung zur Einschränkung des Asylrechts unterzeichnungsfertig gemacht. Beide Entscheidungen zielen darauf ab, Symbolpolitik zu betreiben und die Gesellschaft zu spalten, sagt Alois Stöger: „Bei der Kürzung der Mindestsicherung geht es nicht ums Geld, denn wir geben täglich doppelt so viel an anderen Stellen aus. Es geht darum, die Ärmsten gegen die Armen auszuspielen.“
Alle Menschen sind gleich
Auf Einladung katholischer und gewerkschaftlicher Initiativen sprach Sozialminister Alois Stöger am 20. September im Cardijn-Haus in Linz – ein ihm vertrauter Rahmen, denn er kennt das Haus seit 30 Jahren.
„Ein Sozialstaat bringt Gerechtigkeit, er braucht aber Solidarität“, so der Minister in seinem Vortrag über die Herausforderungen der Sozialpolitik. Solidarität vermisst er auf nationaler und internationaler politischer Ebene vor allem dort, wo Gesetze beschlossen werden, die Unterschiede zwischen In- und Ausländern machen. „Dann geben wir einen Grundwert Europas auf, der heißt: Alle Menschen sind gleich“, betont er. Wer mit Ungleichheit beginnt, setze einen Prozess ohne Ende in Gang.
Chancen für Arbeitslose
Täglich angetrieben von den jeweils aktuellen Arbeitslosenzahlen, die mit der Einwohnerzahl von Graz vergleichbar sind, wird im Sozialministerium an neuen Möglichkeiten gearbeitet. Dazu gehört, Ausbildungszeiten zu verlängern, Facharbeiter/innen mit Stipendien zu fördern oder die bezahlte Pflegefreistellung auch dann zu gewähren, wenn die Pflegenden nicht mit den Eltern im selben Haushalt wohnen. Im Arbeitsmarktservice AMS konnte er 400 zusätzliche Arbeitsplätze gewinnen. Das freut ihn ebenso wie der Verhandlungserfolg zum Pensionsalter für Frauen. Es wird nicht erhöht, und das hilft vor allem jenen älteren Frauen, die in die Arbeitslosigkeit und aufgrund fehlender Beitragsjahre in die Armut gedrängt würden.
Die Pensionszahlungen sieht er in Europa dort gesichert, wo sie auf dem Umlageverfahren aufgebaut sind. In diesem „System der Solidarität“ werden eingezahlte Beiträge unmittelbar an Leistungsberechtigte ausbezahlt und nicht wie beim Kapitaldeckungsverfahren angespart und veranlagt, um erst später im Leistungsfall ausgezahlt zu werden.
Diskussionen tun gut
Das Publikum nutzt die seltene Gelegenheit, ein Mitglied der Regierung direkt befragen zu können. Wie stehe der Minister zum Beispiel zum Grundeinkommen ohne Arbeit? „Auf dem Papier schaut das gut aus, aber für das Leben der Menschen ist es nicht das Beste“, sagt Alois Stöger. Ein Grundeinkommen könnte den Charakter eines Almosens annehmen. Es würde die Sozialleistungen ersetzen, die aber als eine Errungenschaft des Sozialstaates jedem Menschen von Rechts wegen zustehen. Am Ende des Abends zog Alois Stöger kurz Bilanz: „Es tut gut, Diskussionen abseits des Alltags zu führen.“
Zur Sache
Sozialministerium
Alois Stöger leitet seit Jänner 2016 das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Infos über soziale Themen, Einrichtungen und Selbsthilfegruppen oder Projektförderungen sind über www.sozialministerium.at oder telefonisch unter 01/711 00-86 25 25 erhältlich.
Sozial-Stammtisch
Der Stammtisch bietet mehrmals jährlich Diskussionsabende zu einem sozial- und gesellschaftspolitischen Thema. Veranstalter/innen sind Bischöfliche Arbeitslosenstiftung, Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung Linz, Österreichischer Gewerkschaftsbund OÖ, Sozialreferat der Diözese Linz, Treffpunkt mensch & arbeit Linz-Mitte und Cardijn-Haus.