Glocken sind ein Gesamtkunstwerk. Ihr Klang und ihre Gestaltung können auch im 21. Jahrhundert tausende Menschen erfreuen, das hat die Pfarrbevölkerung von Leonding-St. Michael gerade erlebt.
Ausgabe: 2016/40
05.10.2016 - Elisabeth Leitner
Noch einige Tage später ist Siegfried Adlberger vom Klang der neuen Glocken schlicht beeindruckt: „Das war ein bewegender Augenblick. So ein Ausdruck!“ Dass sich der Orgel- und Glockenreferent für Glocken begeistern kann, verwundert nicht. Dass für Leonding aber besonders schöne Läuteglocken gegossen wurden, ist auch vielen in der Pfarre bewusst geworden, als sie am 25. September zum ersten Mal dem Klang der zwei neuen Glocken gelauscht haben. Das Ergebnis kann sich jetzt sehen und hören lassen.
Die Stimme der Kirche
Die Glocke ist „die unverzichtbare Stimme der Kirche nach außen“, formuliert es Adlberger. Sie ist tief verwurzelt in der Bevölkerung. Und wenn auch da und dort über Glocken geklagt wird, die überragende Mehrheit der Pfarren in Oberösterreich steht hinter ihren Glocken. Das zeigt auch das Ergebnis einer aktuellen Umfrage in der Diözese Linz: Nur 20 % der Pfarren haben den Uhrschlag in der Nacht abgestellt, nur 3 % davon wegen Beschwerden. Die Glocke ist ein klingendes Kulturdenkmal, das auf eine 5000 Jahre alte Tradition zurückblickt. Sie ist auch ein Musikinstrument der besonderen Art: Kein Toninstrument überragt die Glocke an Gewicht und Schallweite. Das Gesamtgeläute im Leondinger Kirchenturm wiegt über 3400 kg. Die Josefsglocke (hohes c) und die Marienglocke (hohes d) wurden im Kirchturm von der ältesten Glocke Oberösterreichs aus dem Jahr 1524 empfangen. In Leonding können zusätzlich mit dem neuen Melodieschlagwerk verschiedene Tonfolgen abgespielt werden: zum einen Kirchenliedgut wie das Salve Regina, zum anderen auch Melodien aus der Leondinger Symphonie.
Ein Abdruck der Zeit
Das Leondinger Brüderpaar Christian und Rainer Sery hat die neue Josefs- und Marienglocke künstlerisch gestaltet. Eine Gestaltung – in Zusammenarbeit mit dem Kunstreferenten Alexander Jöchl – gehört für Siegfried Adlberger unbedingt dazu: „Glocken repräsentieren die jeweilige Zeit, in der die Menschen leben. Deshalb werden Gestaltungen nicht kopiert, sondern sind zeitgemäß. Sie sind ein Abdruck der Zeit“, erklärt Adlberger.
Maria- und Josefsglocke
Die Josefsglocke erinnert an den langjährigen Pfarrer Josef Holzmann, der viele Jahre in Leonding-St. Michael tätig war. Rainer Sery hat den Glockenmantel mit einem Motiv des hl. Josef als Jüngling gestaltet, daneben ist eine Hand, die nach oben weist, und eine Lilie. In kyrillischer Schrift hat der Künstler den Dank ukrainischer Mitbürger/innen festgehalten. Zur Ukraine hatte der damalige Pfarrer Josef eine besondere Beziehung: Dort ließ die Pfarre vor 30 Jahren ein Waisenhaus errichten. Deshalb salbte auch Bischof Stanislav aus der Ukraine die Josefsglocke. Die Gestaltung der Marienglocke stammt aus Christian Serys Hand. Er hat eine lateinische Wortfolge gewählt, die um das Wort Sator, den Schöpfergott, kreist, die Farbgebung ist in den Farben Blau und Weiß gehalten.
Ein passendes Geläut
Dass die kirchenmusikalisch höchst aktive Pfarre nun ein passendes Glockengeläut mit insgesamt sechs Glocken hat, darüber freuen sich mit dem Dirigenten Uwe Christian Harrer auch die Mitglieder des Orgelkomitees, besonders Helmut Marchherndl. Er hat das Glockenprojekt mit vielen Engagierten in der Pfarre vorangetrieben. Etliche Spendenaufrufe, Konzerte, ein Schnitzelessen der Bauernschaft und vieles mehr haben zum Gelingen beigetragen. Auch der Stadtgemeinde Leonding war es ein Anliegen, dass die Glocken wieder erklingen. Die dringend notwendige Sanierung des Geläutes und des Glockenstuhls, die 2011 beschlossen wurde, ist damit vorerst abgeschlossen. Etwas aus dem Rahmen fällt noch die nicht harmonisierende Stahlglocke, die nach dem Krieg günstig angeschafft wurde. Hier könnte noch ein „Nachschlag“ – sprich eine Neuanschaffung – nötig sein. Schon jetzt kann man sich an den neuen Glocken, dem einzigartigen Geläut und den neuen Melodien erfreuen, die weithin hörbar sind.
Glockenweihe
„Glockenweihen sind selten“, berichtet Glockenreferent Siegfried Adlberger. In den letzten zehn Jahren sind ca. 25 neue Glocken geweiht worden. An die 50 Glockenanlagen sind mit der Abteilung Kirchliches Bauen erneuert bzw. saniert worden. In einem Segensgebet wird die Aufgabe der Glocke so beschrieben: Sie ruft die Gemeinde zum Gottesdienst, sie will Mutlose aufrichten, Trauernde trösten, Glückliche erfreuen und Verstorbene auf ihrem letzten Weg begleiten.