Etwas ist zum Aus-der-Haut-fahren oder schlägt sich auf den Magen. Alte Redewendungen konnten schon früher gut beschreiben, was heute unter dem Begriff Psychosomatik bekannt ist: seelische Belastungen äußern sich in körperlichen Erkrankungen.
Ausgabe: 2017/24
13.06.2017 - Brigitta Hasch
„Die Ärzte sagen, dass mir nichts fehlt. Aber ich habe dauernd Schmerzen und mein Magen spielt irgendwie verrückt“, erzählt Franz. Ihm geht es wie vielen anderen, die körperliche Symptome verspüren, für die die Mediziner keine Ursache finden können. Oftmals liegt die Ursache nämlich in der Psyche.
Der Körper ruft um Hilfe
Persönliche Überforderungen, Kränkungen, Konflikte oder Traumata äußern sich nicht selten über Krankheiten und Schmerzen. Herzrasen, Kreislaufprobleme, Magenschmerzen oder Hautausschläge sind häufige Folgen von Dauerstress.
„Nachdem abgeklärt worden ist, ob es eine körperliche Ursache für die Beschwerden gibt, stehen die Patienten oft hilflos da. Es fehlt ihnen ja nichts“, weiß Manfred Stelzig aus langjähriger Erfahrung. In Wirklichkeit ist es die Psyche, die leidet. Die körperlichen Beschwerden sind wie ein Ventil, ein Hilferuf.
Da stimmt was nicht
Um die wahre Ursache für eine psychosomatische Erkrankung herauszufinden heißt es für Arzt bzw. Psychotherapeutin und Patient/in gemeinsam hinzuschauen. „Dabei müssen wir den Patienten dort abholen, wo er steht und mit ihm entscheiden, was man tun kann“, erklärt Stelzig. Medikamente können hier zwar eine gute Unterstützung sein, im Wesentlichen kommt es aber darauf an, das, was hinter der Krankheit steht zu erkennen. „Das kann sehr komplex sein und weit zurückreichen. Aber es muss das gemeinsame Ziel sein, den urprünglichen Konflikt zu entmachten“, so der Mediziner.
Scham
Davor ist es aber für die Betroffenen schon ein schwerer Schritt sich einzugestehen, dass ihre Krankheit psychisch bedingt ist. Körperliche Erkrankungen sind einfacher zu verarbeiten. Man gibt sie beim Arzt ab, erhält Medikamente und wenn alles gut geht, ist man bald wieder gesund. Bei psychosomatischen Beschwerden reagieren Patienten oft verunsichert und denken: „Ich bin ja nicht verrückt und bilde mir die Schmerzen ein.“ Gerda Mühlegger weiß aus Erfahrung, dass man hier sehr einfühlsam vorgehen muss. Mancher Kränkungen, Traumata oder alter Muster ist man sich gar nicht bewusst. Diese aufzuarbeiten ist dementsprechend schwierig und erfordert Vertrauen.
Gefühle haben ursprünglich die Aufgabe, Dinge zwischenmenschlich zu klären. „So geht das nicht weiter!“ oder „Gut gemacht!“ geben ein klares Signal. „Wenn das nicht funktioniert, man die Gefühle nicht äußert oder äußern kann, kommt der Körper ins Spiel. Er sendet uns Warnsignale“, erklärt die Therapeutin. Was der Patient/die Patientin dann verspürt sind echte Schmerzen. „Wer in Stresssituationen unter Migräne leidet, ist kein Hypochonder“, stellt Mühlegger klar.
Selbstschutz durch Selbstachtung
„Wer in seiner Kindheit gelernt hat, mit sich fürsorglich umzugehen, wird wahrscheinlich früher erkennen, dass eine Situation stressig oder zur Überforderung wird. Er wird versuchen, die Lage zu ändern, bevor es zu einer Erkrankung kommt“, ist Stelzig überzeugt. Nachsatz: „Und auch dann, wenn es zu psychosomatischen Beschwerden kommt, wird dieser Mensch die Situation rascher wieder in den Griff bekommen.“ «