Seine 9. Symphonie feiert Anfang Mai Premiere im Brucknerhaus. Pater Balduin Sulzer (83 Jahre) prägt als Komponist, Musiker und Pädagoge die Musiklandschaft seit Jahrzehnten.
Ausgabe: 2015/17, Sulzer, Arbeitersymphonie
21.04.2015 - Das Gespräch führte Elisabeth Leitner
Hunderte Absolvent/innen des Linzer Musikgymnasiums – unter ihnen Franz Welser-Möst, Gotho Griesmeier und Kurt Azesberger – leben im Alltag, was er als „Herr Lehrer“ gepredigt hat: Musik braucht Hingabe, Begeisterung, Leidenschaft. Damit fängt alles an. Ein Interview mit der KirchenZeitung.
Am 6. Mai kommt die Arbeitersymphonie „Empört euch“ erstmals zur Aufführung. Wie kam es zu diesem Auftrag? Balduin Sulzer: Vor zwei Jahren war im Rundfunk meine 8. Symphonie zu hören. Ich wurde gefragt, ob die nächste schon in Planung ist. Da habe ich gesagt: Wenn ich einen Auftrag bekomme, sofort. Ich schreibe nicht ins Blinde rein. Ich brauche einen Anlass und einen Aufführungstermin. Ein paar Leute von der Arbeiterkammer haben das gehört und mich dann angerufen. Und schon hatte ich den Auftrag in der Tasche: eine Symphonie zum Thema „Arbeit“.
Sie sind Ordensmann im Stift Wilhering, Priester und Komponist. Hat sich auch die Kirche als Auftraggeberin großer Werke bereits gemeldet? Sulzer: Größere Aufträge habe ich von der Kirche noch nicht bekommen, aber das stört mich nicht. Wenn ich hier im Haus Vorschläge mache, werden diese zu 100 Prozent umgesetzt. Da gibt es viele Anlässe im Kirchenjahr. In meinem Werkverzeichnis mit über 400 Kompositionen findet man allerhand Geistliches und Weltliches. Für das Musiktheater habe ich etwa die Pausentöne komponiert. Den Auftrag dazu hat mir Dennis Russell Davies erteilt. Am stillen Örtchen hört man sie am besten.
Das Musikgymnasium, das Sie gegründet haben, feierte dieser Tage 40 Jahre. Sie werden von den Schülern liebevoll „Herr Lehrer“ genannt. Haben Sie das Gefühl, hier ist eine Saat aufgegangen? Sulzer: Ich denke, dass im Musikgymnasium doch einige Anregungen aufgegangen sind. Immer wieder fragen ehemalige Schülerinnen und Schüler bei mir wegen neuer Kompositionen an, ich bin mit vielen in regem Kontakt und gehe auch zu ihren Konzerten: etwa am 26. April in die Ursulinenkirche.
Was war und ist Ihnen als Musikpädagoge das wichtigste? Sulzer: Dass man die Menschen zu sich selber führt und diejenigen, die talentiert sind, dazu anregt, dass sie ihre Persönlichkeit entwickeln und sich verwirklichen. Ich denke, dass auch das viele Chorsingen den Charakter geprägt hat. Man lebt ja in einer Gemeinschaft. Viele Musik-Experten haben gestaunt, was diese Jungspunde zusammenbringen: Rhythmik, Tempo, Lebhaftigkeit – das war absolut positiv. Man braucht Leidenschaft, Begeisterung und die Fähigkeit, sich mit der Komposition restlos zu identifizieren. Das Musikgymnasium war ja ein Schulversuch – und der ist geglückt.
Zurück zur Arbeitersymphonie. Sie kommen aus einer Arbeiterfamilie und haben als Kind in Großraming gelebt. Was verbinden Sie mit „Arbeit“? Sulzer: Mein Vater war ein Holzknecht, insofern passt das Thema Arbeit sehr gut. Elfi Sonnberger von der Arbeiterkammer, die Sopranistin Anna Maria Pammer, eine ehemalige Schülerin, die bei der Uraufführung singen wird, und Prof. Peter Schöttler haben sich zusammengetan und Texte zum Thema Arbeit gesucht.
Wie haben Sie die Komposition angelegt? Sulzer: Es sind ausgewählte Texte – und ich hab ein paar Notenköpfe dazu gemixt. Die plötzlichen Zitate werden von mir in die Musik hineingeworfen. Die Symphonie ist einsätzig. Eine freie, quasi improvisierte Fantasie, die nur durch ein Scherzo unterbrochen wird. Damit es nicht zu diesseitig wird, habe ich hier das „Ora et labora“ von Benedikt von Nursia eingebaut. Die haben ja früher auch eine Gaudi gehabt bei der Arbeit.
Welches Zitat hat der Arbeitersymphonie den Titel gegeben? Sulzer: Es ist ein Zitat von Stéphane Hessel aus seinem Werk „Empört euch“. Der Ausruf wird in mehreren Sprachen gesungen. Die beiden Gesangssolisten schlüpfen dabei in die Rolle von Aktivisten.
Arbeitersymphonie im Linzer Brucknerhaus
Bei Balduin Sulzers neuem Werk zeigt sich das politische Moment schon beim ersten Blick auf den Text. Zum Ausgangspunkt seiner „Arbeitersymphonie“ wurde die Streitschrift von Stéphane Hessel, die vor einigen Jahren für Aufsehen sorgte und auch beim „arabischen Frühling“ Furore machte. Mit seinem Werk wollte der 93-jährige Hessel die junge Generation zum gewaltfreien Widerstand gegen die Diktatur des Finanzkapitalismus aufrufen und gegen Umweltzerstörung ermutigen: „Der Abstand zwischen den Ärmsten und den Reichsten war noch nie so groß: und der Wettlauf ums Geld, die Konkurrenz noch nie so befeuert“ – so lautet ein Zitat, das Sulzer vertont hat. Weitere Zitate stammen von Sophokles, Benedikt von Nursia, Marx, Bischof Kettler, Lasalle und Brecht. Die Textzusammenstellung verweist auf den seit der Antike bestehenden Zusammenhang von Geld, Ungleichheit, Erwerbsnot, der Kluft zwischen Arbeit und Kapital und der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich. Mi., 6. Mai, 19.30 Uhr, Uraufführung, Bruckner Orchester Linz, Dennis Russel Davies, Anna Maria Pammer, Dominik Nekel.