Der kleine, lebhafte Drache Herby wohnt mit seiner Familie auf einer Burg. Er wäre so gerne ein Held! Dann erfährt er etwas, das sein Leben verändert. Eine Geschichte von Vanessa Breuer, noch ohne Ende.
11.10.2017 - Vanessa Sofie Breuer
Der Drache Herby (1)
Nicht weit von hier, auf einem Berg steht eine Burg. Eine mit wunderschönen Türmen, die in den Himmel ragen und deren Spitzen man nicht mehr erkennen kann. Mit einem großen schmiedeeisernen Tor, und einem Burggraben, breiter als die Donau.
In dieser Burg lebt der Drache Herby, mit seinen Eltern und seiner kleinen, nervigen Schwester Rosi. Die ihm gestern einfach die Brille versteckt hat!
"Ein Drache der eine Brille trägt?", fragt ihr euch jetzt, „ist das denn möglich?“. Nun, es ist wirklich ungewöhnlich, aber auch Drachen müssen mit der Zeit gehen. Darum besitzt die Burg auch in jedem Turm einen eigenen Lift, der die faulen Burgbewohner (Ja! Drachen sind faul!) mühelos in schwindelerregende Höhen befördert.
In so einem Turm ist Herby gerade. Verträumt schaut er aus dem Fenster, während er sich seine blaue Hose straff über seinen rot-gelb gestreiften, runden Bauch zieht. Sein ganzer Rücken ist rot, nur seine Flügel, die noch zu klein sind um seinen Körper vom Boden zu heben, sind schwarz.
Doch in seinen Träumen hat er gewaltige Flügel, mit denen er umher fliegt und alle von den Bösen bewahrt, so auch heute:
„Hilfe, er hat meine Tasche gestohlen!“, schreit eine Drachendame. Prompt eilt Herby zu Hilfe. Noch in der Luft sieht er eine Gestalt flüchten. Ohne zu zögern nimmt der Drache die Verfolgung auf. Immer schneller und schneller fliegt er. Fast kann er die Kapuzengestalt schon berühren. Er muss nur mehr ein bisschen schneller fliegen. Dann nimmt er Schwung und wirft sich mit ganzer Kraft auf den Dieb!
“Ich hab ihn! Ich hab ihn!“, schreit Herby voller Stolz. “Oh, sie sind mein Retter“, ruft die Drachendame und drückt Herby einen Kuss auf die Wange.
Ein lautes „Herby!“ zerrt unseren Helden aus den Träumen. „Es gibt Essen!“, schreit seine Mutter. Müde hievt Herby sich aus seinen Bett und denkt: "Ach, wäre der Traum doch wirklich passiert!“
Hätte er das doch nicht gedacht!
Die geheimnisvolle Entdeckung (2)
Am nächsten Morgen, wird der junge Drache von der hereinscheinenden Sonne geweckt. Müde reibt er sich die Augen und versucht sich qualvoll aus dem Bett zu winden. Langsam rafft er sich auf und sucht sich seine Kleidung zusammen.
Fertig angezogen macht er sich auf den Weg zum Lift. Doch plötzlich hört er eine merkwürdige Stimme flüstern: „Geh' in das Verließ und suche das Grab von den verstorbenen Drachenhelden!“
Verängstigt schaut Herby sich um, doch er kann niemanden finden, der gesprochen hat. Kalter Angstschweiß kriecht ihm den Rücken herunter. Sein Herz beginnt zu rasen. Soll er es versuchen oder nicht? Wer weiß, was ihn dort unten erwartet? Vielleicht ein Räuber, der ihn beklauen will, oder es ist einfach nur ein weiterer gemeiner Streich von seiner Schwester Rosi.
In diesem Moment überkommt ihn eine Welle von ungeheurem Mut. Er fasst sich ein Herz und macht sich todesmutig auf den Weg zum Verließ.
Das Tor zum Kerker knarrt laut, als er es öffnet. Muffige Luft schlägt ihm entgegen. Zitternd wagt er sich hinein. Seine Knie schlotterten unkontrolliert. Soll er es wirklich wagen oder war es die falsche Entscheidung gewesen?
„Jetzt oder nie!“, denkt sich Herby und begibt sich ganz hinein. Doch wo war das Grab des Drachenhelden? Konzentriert liest er die Inschriften, aber er kann es nicht finden. Er muss also eines übersehen haben! Im selben Augenblick entdeckt er ganz hinten in einem Eck einen seltsamen Lichtschimmer. “ Das muss es sein!“, denkt er sich und steuert darauf zu.
Je näher er kommt, desto stärker pulsiert das Licht.
Doch was er sieht, übertrifft bei weiten seine Erwartungen. Dort, wo vorher noch das Licht geleuchtet hat, steht jetzt eine Lichtgestalt in Form eines Drachen. Doch es war nicht irgendein Drache, sondern der Drachenheld selbst!
„Hallo Herby! Jetzt hast du sicher einige Fragen an mich, doch ich habe dir etwas zu sagen, was dein Leben verändern wird.“ Kündigt die Lichtgestalt an.
Das Geheimnis (3)
Immer noch steht Herby mit dem verstorbenen Drachenhelden, der ihm als Lichtgestalt erschienen ist, im Verließ. Sein Herz rast, seine Atmung beschleunigt sich. Nicht weil er Angst vor dem düsteren und kalten Verließ hat, sondern weil ihm die Worte des Drachenhelden keine Ruhe lassen.
„Ähm, Herby? Soll ich dir jetzt vielleicht sagen was dein Leben verändern wird und warum ich hier bin?“, fragt der Drachenheld. Schnell nickt Herby, er platzt fast vor Aufregung. Der Drachenheld macht eine Bewegung aus dem Handgelenk und plötzlich erscheint mitten im Verließ ein riesiges braunes Sofa mit kuscheligen blauen Kissen. Mit einer Weiteren Geste lässt er ein Tablett mit zwei Tassen Kakao und einen Korb voller Croissants erscheinen.
Mit offenen Mund beobachtet Herby das Geschehen und lässt sich zum Sofa führen. Vor lauter Nervosität kann er seinen Kakao gar nicht genießen und setzt sich erwartungsvoll auf die Kante der Couch.
Und dann beginnt die Lichtgestalt zu erzählen: “Wie du gesehen hast bin ich in der Lagen zu zaubern. Das ist eine Gabe, die nur wenige von uns Drachen besitzen, und die auch sehr schwer zu lernen ist. Und genau deswegen bin ich hier. Ich soll dir das Zaubern beibringen!“
Verblüfft starrt Herby auf den Drachenhelden. Er kann gar nicht glauben, was er gerade gehört hat. Doch im nächsten Moment hat er sich gefasst. Wenn er wirklich hexen kann, dann kann er Rosi bis zum Umfallen ärgern. Ein gemeines Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht. Er ist sowas von bereit!!
„Legen wir los!“, brüllt Herby voller Tatendrang.
„Wir fangen mit der einfachsten Übung an", beginnt sein neuer Lehrer, "um Süßigkeiten erscheinen zu lassen, musst du deine rechte Hand zu Faust ballen und sie dann Finger für Finger öffnen. Dabei musst du drei mal sagen, welche Süßigkeit du willst, also: Schoko, Schoko, Schoko, und schau! Da habe ich meinen Schokolade schon! Jetzt bist du dran!"
Mit riesiger Begeisterung will auch Herby es probieren, doch wird er es wirklich schaffen?
Eine neue Welt (4)
Eine Woche später hopst Herby aufgeregt durch den Burghof, während ihm der Wind durch die Haare fährt.
Sein ganzes Leben hatte sich verändert, nachdem er erfahren hat, dass er etwas ganz Besonderes ist. Einer der wenigen Drachen, der zaubern kann.
Die grundlegenden Sachen kann er mittlerweile schon im Schlaf: Immer wenn er sich etwas herbeizaubern will, egal was es ist, muss er nur seine rechte Hand zu Faust ballen und sie dann Finger für Finger öffnen. Dabei soll er drei Mal sagen, was er sich wünscht.
Und das kann er mittlerweile so gut, dass sein Lehrer, der verstorbene Drachenheld, beschlossen hat, dass er heute einen Schnupper-Tag in der Schule für Zauberwesen machen darf.
„Können wir los?“, fragt ihn der Drachenheld gerade. Heftig nickt Herby, er ist schon total aufgeregt. Sein Herz droht ihm fast aus der Brust zu springen.
Flink springt der junge Drache auf den Rücken des Älteren. Dieser schwingt sich, für ein menschliches Auge zu schnell, in die Lüfte.
„WOW!“, ruft Herby begeistert aus. Er ist noch nie in seinem ganzen Leben geflogen, aber das übertrifft bei weitem seine Vorstellungen. Er hat einen wunderschönen Ausblick auf die Burg und die Stadt, aber alles sieht von hier oben so klein aus!
Es kommt den kleinen Drachen so vor, als wären nur Sekunden vergangen, da landen sie schon wieder. Und zwar vor einem großen, roten Backstein-Gebäude, das viele kleine Erker und Türmchen hat. Staunend schaut Herby es an. “Das ist ja noch größer als unsere Burg!“, ruft er.
Doch er wird jäh aus seiner Betrachtung gerissen, als er an der Schulter getippt wird. Schnell dreht er sich um. Dann reist er die Augen auf.
Hinter ihm steht, nein, eigentlich stehen hinter ihm nur ein Paar Schuhe, die die Größe von einem ausgewachsenen Hund haben. Ungläubig wandern seine Augen immer weiter nach oben, bis er schließlich das Gesicht des Riesen erblickt. Riesige Augen starren ihn an. Herbys Herz beginnt immer schneller zu pochen. Er will eigentlich nur weglaufen, doch seine Füße scheinen wie am Boden festgeklebt. Und plötzlich hebt der Riese die Hand, und ballt sie zur Faust. Er holt aus. Herby sieht mit vor Angst geweiteten Augen, wie die Faust rasend schnell auf ihn zukommt.
Wird die Faust ihn treffen?
Die Verwechslung (5)
Mit vor Angst geweiteten Augen sieht Herby die Faust des Riesen immer schneller auf sich zurasen. Es scheint, als gäbe es kein Entkommen. So sehr er es auch versucht, seine Beine wollen sich einfach nicht bewegen, als wären sie am Boden festgewachsen. Seine Knie haben sich längst in Wackelpudding verwandelt und seine Hände zittern unkontrolliert.
Es war so, als würde die Zeit in Zeitlupe vergehen. Sein Herz rast, Schweiß rinnt ihm den Rücken herunter und seine Zunge klebt wie Schmirgelpapier auf seinen Gaumen fest.
Instinktiv duckt er sich, um der gewaltigen Faust zu entgehen. Plötzlich ertönt ein lauter Knall, danach eine kleine Explosion, wo viel Erde aufspritzt. Die Faust hatte neben ihm eingeschlagen. Verdutzt blickt er sich um. Dann schaut er fragend nach oben zum Riesen.
Der Riese schaut Herby entschuldigend an. “Da war eine Spinne! Riesen haben große Angst vor Spinnen“, rechtfertigt er sich. „Ich bin übrigens Albrecht, und du musst Herby sein. Ich bin der Schulwart dieser Schule und soll dir heute die Schule und die Sportplätze zeigen.“ Und damit verschwindet er schon im Schulgebäude.
Schnell springt Herby vom Boden auf und beeilt sich, dem Riesen nachzukommen. Das ist gar nicht so leicht, denn der Riese legt ein ordentliches Tempo vor.
Im Laufschritt betritt er die Aula, die eine extrem hohe Decke hatte, die mit reichlich Stuck und ähnlichen Verzierungen geschmückt ist. Der kleine Drache kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Und dreht sich begeistert um die eigene Achse.
Doch kaum hat seine Verzückung etwas nachgelassen, ist Albrecht schon verschwunden. Er schaut nach links, dann nach rechts, doch er kann ihn einfach nicht mehr wiederfinden.
Blindlings wählt er einen Gang aus. Links und rechts befinden sich Türen, die aber allesamt verschlossen sind. Jetzt neugierig geworden, tapst er weiter. Ganz am Ende des Ganges sieht er eine Tür mit der Aufschrift „Zauberküche“.
Bunter Nebel dringt aus dem Spalt unter der Türe. Ohne lange zu überlegen greift er nach der Türklinke und drückt sie langsam herunter. Was wird er finden?
Zur Autorin Vanessa Breuer: "Beim Schreiben kann ich eine andere Welt erschaffen"Kontakt: vanessa1.breuer[at]gmail.com