Der Erhalt der Mühlkreisbahn und der Schutz von Biber, Luchs und Co sind Themen, die Thomas Engleder besonders am Herzen liegen. Die KirchenZeitung traf den Naturschützer und Solidaritätspreisträger im Zug auf der Strecke von Neufelden nach Aigen-Schlägl zum Interview.
Ausgabe: 2016/42
18.10.2016 - Paul Stütz
Es ist ein exklusives Gefühl, diese Fahrt mit der Mühlkreisbahn nach Aigen-Schlägl zu machen. Der Zug ist beinahe menschenleer. „Setzen wir uns auf die rechte Seite, da sieht man mehr“, schlägt Thomas Engleder vor. Wie er bei der Fahrt beweisen wird, hat er einen geschulten Blick für die Naturwunder des Mühlviertels. Thomas Engleder: Schau, da ist ein Horst, da lebt ein Uhu-Paar. Das ist ein ganz verlässlicher Standort neben der Großen Mühl. Der Uhu war schon einmal fast ausgerottet. Engleder: Ja, der Uhu war in den 1950er Jahren praktisch ausgestorben, dann ist er unter Naturschutz gestellt worden und hat sich relativ schnell erholt. Das hätte man damals nie geglaubt. Der Uhu ist ein gutes Beispiel, dass durch den Naturschutz wieder etwas besser werden kann. Das ist ein Antrieb für meine Arbeit. Engleder: Da bei der Iglmühle kommen wir gleich an einer Biberburg vorbei. Der Biber ist ein heikles Thema. Das Tier steht unter Schutz, Biberschäden erzeugen aber Unmut bei betroffenen Grundbesitzern. Engleder: Der Biber ist ein Anarchist. Er fällt der Baum, weil er ihn braucht. Da fehlt es dem Menschen an Demut vor der Natur, zu akzeptieren, dass das seine Lebensweise ist. Der Biber ist aber pflegeleicht, er ist Vegetarier und er nutzt ja vor allem Bäume und Sträucher, die wirtschaftlich wenig interessant sind. Objektiv betrachtet sind es meistens kleine Schäden, für die es noch dazu Entschädigungsmaßnahmen vom Land Oberösterreich gibt. Außerdem stört mich, dass das unter Schaden eingeordnet wird. Dann ist das Gras, dass der Feldhase auf der Wiese frisst auch bald einmal ein Schaden. Wenn man es nicht schafft mit dem Biber zusammenzuleben, dann mit anderen Wildtieren auch nicht.
Wie rasch breitet sich der Biber aus? Engleder: Der Biber ist keine Plage und er wird sich nicht so ausbreiten, dass er zur Plage wird. Allein das Auto, der Verkehr ist ein limitierender Faktor. Außerdem hat man zu wenig Vertrauen in die Natur und Schöpfung, die findet meistens eine gute Lösung , dass sich alles reguliert. Kurz schweift der Blick von Thomas Engleder wieder in die Landschaft. Schau, da sind fünf Rebhendl, cool, die habe schon lange nicht mehr gesehen.
Die Rebhendl sieht man auch so gut, weil die Bahn jetzt gerade sehr langsam fährt. Engleder: Zum Beobachten ist das gut. Wenn man aber öfter fährt, geht es auf die Nerven. Die Hochwasserschäden von 2002 sind nie hergerichtet worden. Deswegen fährt der Zug so langsam. Bei einer Straße würde das nie passieren, dass 15 Jahre nichts repariert wird.
Wie schnell soll die Strecke werden? Engleder: Von Rohrbach eine Stunde Fahrzeit nach Linz würde schon passen. Wenn ich im Stau stehe, brauche ich mit dem Auto mindestens so lange für diese Strecke. Aktuell braucht der Zug aber mit 1 Stunde 20 Minuten deutlich länger.
Die neuesten Pläne sind ja, dass die Mühlkreisbahn erhalten bleibt und sogar bis zum Linzer Hauptbahnhof fahren soll. Engleder: 20 Jahre hat man Studien gemacht, die Entscheidung ist gefallen, jetzt muss umgesetzt werden. Die Entscheidung, die Mühlkreisbahn zum Hauptbahnhof zu verlängern, begrüße ich sehr. Ich gehe davon aus, dass die Mühlkreisbahn in fünf Jahren so fahren kann.
Sie sind in der Plattform „Zug(k)unft“ für den Erhalt der Mühlkreisbahn engagiert. Warum ist Ihnen das ein Anliegen? Engleder: Wenn am Land Leute leben sollen, braucht es attraktive öffentliche Verkehrsmittel. Man tut so, wie wenn eh jeder ein Auto hätte. Nicht jeder hat eins und nicht jeder will darauf angewiesen sein. Außerdem bin ich dagegen, dass am Land alles zugesperrt wird. Da wird die Post zugesperrt, das Gericht und die Polizeistation, Geschäfte, Wirtshaus, alles macht zu. Das macht ein klammes Gefühl, die Leute haben das alles satt. Auch deswegen ist der Erhalt der Mühlkreisbahn sehr wichtig.
Wieso nicht einfach auf den öffentlichen Busverkehr setzen? Engleder: Weil er bequemer ist und Zugfahren mehr Kultur hat. Der Bus ist öfters vor oder nach dem Fahrplan unterwegs. Der Zug ist praktisch immer pünktlich und er fährt meistens durch eine schönere Gegend.
Kommen wir auf den Naturschutz zurück. Was ist Ihnen als Naturschützer besonders wichtig zu vermitteln? Engleder: Wir müssen der Natur mehr Platz lassen. Die Nutzung durch den Menschen wird immer intensiver. Wenn wir da beim Fenster rausschauen, da sieht man eine Wiese, auf der vor 20 Jahren 50 verschiedene Pflanzenarten gewachsen sind. Jetzt ist die Wiese Dauergrünland mit Einsaat, wo nur fünf bis zehn Arten wachsen. So geht schleichend Lebensraum verloren. Um die sehr seltene Pflanze Böhmischer Enzian, bemühen Sie sich besonders? Der war früher ist Mühlviertel weit verbreitet. Jetzt gibt es nur noch wenige Standorte, der Enzian wurde zurückgedrängt durch menschliche Nutzung. Wir versuchen zu retten, was zu retten ist. Das ist jetzt so wie die Intensivstation im Krankenhaus. Die Geschichte mit dem Böhmischen Enzian ist eine Warnung. Wenn man es zu weit kommen lasst, ist es sehr aufwändig eine Art zu retten. Wenn man rechtzeitig was tut, ist die Rettung leichter.
Landwirtschaft und Naturschutz stehen oftmals in Konflikt. Engleder: Die Bio-Landwirtschaft ist durchaus ein Verbündeter. Die Intensiv-Landwirtschaft ist ein Problem. Naturschutz ist teilweise unbequem. Damit geben wir Pflanzen und Tiere eine Stimme. Zum Glück sind wir noch nicht ganz im Neoliberalismus angelangt. Es gibt Naturschutzgesetze, die regeln, dass der Lebensraum für den Menschen und Umwelt passt. Das meiste Verständnis für Naturschutz hat man von den Leuten, die es nicht direkt betrifft. Eine blühende Orchideenwiese findet jeder schön. Am schönsten findet sie der Wanderer der vorbeigeht, am wenigsten schön findet sie der Bauer, der dort mähen muss. Für die ganzen Erschwernisse gibt es aber Förderungen, das muss man auch dazu sagen.
Sie halten viele Vorträge vor Kindern. Wie reagieren sie auf die Naturschutzthemen? Engleder: Kinder sind sehr zugänglich für Pflanzen und Tiere. Bei Kindern ist das Paradies noch nicht so weit weg. Die sehen noch nicht den Nutzungsdruck und sie das ökonomische Geschichte dahinter. Sie lassen sich ganz unvoreingenommen für Tiere wie den Luchs begeistern.
Der Luchs ist Ihr persönliches Lieblingstier? Engleder: Ja. Es gibt in wenigen Gebieten Österreichs den Luchs. Dort zu leben, wo der Luchs lebt ist eine Auszeichnung. Mittlerweile weiß man durch Fotofallen und Monitoring viel vom Luchs, etwa dass er bei seinen Wanderungen weite Strecke zurücklegt, von der Wachau bis ins obere Mühlviertel und dabei durch Flüsse wie die Donau schwimmt. Der geht ungesehen durch das Obere und Untere Mühlviertel, das musst du mal schaffen, das schaffst du als Mensch nicht. Das fördert die Demut vor der Natur, der Mensch unterschätzt die Natur sehr oft, was alles möglich ist.
Der Luchs war fast ausgerottet und kehrt langsam Engleder: Ein wesentlicher Grund warum sich die großen Beutegreifer wieder ausbreiten können ist, dass es genug Nahrungsangebot gibt. Heute gibt es wieder mehr Beutetiere. Es gibt zum Beispiel wieder viel mehr Reh gibt es im 18. Oder 19. Jahrhundert gibt.
Wir fahren bald in Aigen-Schlägl ein. Bayern und Tschechien sind nicht weit. Wie steht Österreich eigentlich im Vergleich mit diesen Ländern da? Engleder: Vor allem Tschechien ist vorbildlich, was den Naturschutz betrifft. In Österreich ist das die typische Geschichte, dass Interessensverbände intervenieren, dass etwas nicht so umgesetzt wird, wie es eigentlich vorgesehen ist. Wie eben beim Biber. Der Biber ist zurückgekommen, hat sich das Gebiet zurückerobert in den letzten Jahren, und obwohl er geschützt ist, beschließt eine Interessensvertretung: Wir haben ein Problem mit dem Biber. Und dann wollen sie den Schutz aufweichen.
Preisträger
Thomas Engleder ist Geograf und Landschaftsökologe aus Haslach an der Mühl. Er setzt sich leidenschaftlich für den Naturschutz und die Artenvielfalt ein. Neben dem Biber sind ihm der Luchs und der Böhmische Enzian ein besonders großes Anliegen. Dafür erhielt er 2016 den Solidaritätspreis der KirchenZeitung.
Solidaritätspreis 2017. Mit dem Solidaritätspreis ehrt die KirchenZeitung jene Menschen, die sich durch ihr besonderes solidarisches Handeln auszeichnen. Einreichungen zum Solidaritätspreis 2017 sind ab 26. Oktober möglich unter www.kirchenzeitung.at/solipreis Die Preisverleihung wird am 15. Mai 2017 stattfinden.